Unter dem Safranmond
hatte. Sie wusste, er hatte viele Frauen gehabt, in Italien, in England, in Indien, wusste, dass Richard einfaches Spiel hatte, ihre Herzen zu erobern und sie in sein Bett zu bekommen. Klatsch und Tratsch besaßen leichte Schwingen, die weit trugen, und Richard selbst hatte nie einen Hehl aus seinen Liebschaften gemacht. Doch in diesem Moment verzieh sie ihm jede einzelne davon und auch jede Stunde, die sie des Nachts seinetwegen lautlos in ihr Kissen geweint hatte. Denn von nun an würde er ihr gehören, so wie sie es als kleines Mädchen schon gewusst hatte. Er war zurückgekommen, und sie würde ihn nicht wieder gehen lassen. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als er seine Zähne sacht in ihre Halsbeuge grub, seine Lippen über ihr Schlüsselbein strichen, zu ihrem Mund zurückkehrten und damit Hitzewellen durch ihren Körper jagten. »Maya, Majoschka«, murmelte er gegen ihre Haut. Seine Küsse wurden hungrig, fiebrig, waren schmerzhaft und köstlich zugleich. Mit dem ganzen Gewicht seines Körpers drückte er sie gegen die Tür. Die Wärme seiner Hand schien den dünnen Stoff des Nachthemdes zu versengen, als sie an ihrer Taille hinabglitt, ihre Hüfte umfasste, ihr Becken an das seine presste. Eine nie gekannte Gier überfiel Maya, ließ ihre Hände über seine Arme wandern, sehnig und muskulös von seinen geliebten Fechtkämpfen. Blind tastend und ungeduldig begann sie an den Hemdsäumen zu zerren, an Knöpfen zu reißen, während sie ihr Gesicht an seinen Hals schmiegte, in das Dreieck hinunterglitt, das der Ausschnitt des Hemdes von seiner mächtigen Brust mit dem dichten dunklen Haar darauf freilegte. Richards Atem klang stoßweise an ihrem Ohr, und Maya trank den Duft seiner Haut, schwer und erdig, der ihr von Kindheit an so vertraut war und den sie heute zum ersten Mal schmeckte. »Nein«, hörte sie ihn raunen, »nein«, und sie fühlte sich gewaltsam weggeschoben. Verwirrt sah sie ihn an, als er ihr Gesicht in beide Hände nahm und ihr eindringlich in die Augen starrte, wie mit dem wilden, unnachgiebigen Blick eines gefangenen Leoparden.
»Nein, Maya. Nicht so. Nicht hier.« Sie spürte, wie er zitterte, als müsste er mit aller Gewalt gegen etwas ankämpfen, und in seinen schwarzen Augen schien es zu flackern. Aber vielleicht war es auch nur der Widerschein des Lampenlichts an den Wänden, unstet für einige Momente, als die Flügel des Falters knisternd darin Feuer fingen.
»Aber ich will es, Richard«, gab sie heiser zurück, mit einem trockenen Mund, den es nach anderem als Wasser verlangte. »Ich will es schon so lange! Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
Einer seiner Mundwinkel hob sich in der Andeutung eines Lächelns, einem Anflug von Ironie. »Ich mag ein Halunke sein, aber ganz gewiss kein ehrloser Lump. Ich will deinem Vater morgen früh so offen in die Augen schauen können, wie ich es immer getan habe. Und ich will vor allem dir jederzeit noch mit gutem Gewissen gegenübertreten.«
»In deinen Briefen hast du doch geschrieben, dass nichts Schlechtes daran ist!« Sie umklammerte seine Handgelenke, selbst für einen Moment unsicher, ob sie ihn von sich stoßen oder festhalten wollte. Das Lächeln breitete sich über seinen ganzen Mund aus, ließ ihn weich, fast verletzlich erscheinen. Leicht schüttelte er den Kopf, lehnte seine Stirn an die ihre.
»Nein, Majoschka, es ist auch nichts Schlechtes daran. Rein ist der, der reinen Herzens ist. Trotzdem wäre es nicht richtig. Es gibt auch immer ein Danach. Und danach werde ich wieder fortgehen, und so will ich dich nicht zurücklassen.«
»Dann nimm mich mit.« Mayas Worte waren nur mehr ein Hauch, ihr Atem zittrig. Richard zog sie in seine Arme, doch Maya verspürte keinen Trost. Das Prasseln, mit dem der Falter in der Flamme verbrannte, schien das Echo dessen zu sein, was gerade mit ihr geschah.
»Das kann und will ich nicht. Ich plane eine Forschungsreise nach Arabien, und das ist kein Land für dich.«
»Auch nicht als deine – deine …« Sie brachte es nicht über sich, das auszusprechen, was ihr als kleines Mädchen so viel leichter über die Lippen gekommen war.
»Ich habe nicht vergessen, was du mir damals zum Abschied zugeflüstert hast«, murmelte er gegen ihre Schläfe. »Nie werde ich das. Aber ich kann dich nicht heiraten, Maya. Noch nicht. Mein Sold ist lächerlich; von den Ergebnissen meiner Reisen und Studien lässt sich auch nicht leben. Es wird einige Zeit dauern, bis ich mir eine Existenz aufgebaut habe.« Maya
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