Unter dem Safranmond
die Sprachen des indischen Subkontinentes, deren Grundbegriffe er Maya in seinen Briefen aus jener Zeit gelehrt hatte. Doch Arabisch war die Sprache, die er selbst als seine Muttersprache bezeichnete.
Jene Sprache, die Professor Reay als Inhaber des Lehrstuhls für Arabisch Maya an zwei Abenden die Woche zuhause in Black Hall beibrachte. Martha Greenwood hatte sich zwar über die Sinnlosigkeit dieses Unterrichts ereifert, als Maya ihr Anliegen geäußert hatte, war aber mit verkniffenen Mundwinkeln verstummt, als Gerald entschied, seiner Tochter diesen Wunsch zu erfüllen. So weit reichten Professor Reays Großherzigkeit und seine kollegiale Freundschaft zu Professor Greenwood, dass er nicht zu stolz war, auch ein Mädchen zu unterrichten.
Richard … Tränen traten ihr in die Augen, ließen die Schrift sich verformen, über die Seiten schlängeln, schließlich verschwimmen. Die Erinnerung an jenen Sommertag vor zwei Jahren, die sie vorhin im Garten so greifbar lebendig eingeholt hatte, war noch deutlich spürbar. Und untrennbar damit verbunden war die Erinnerung an die Nacht, die darauf gefolgt war …
Durch das geöffnete Fenster ergoss sich die Sommernacht ins Zimmer. Maya lag in ihrem Bett und starrte in das Dunkel, das kaum vom milchigen Schimmer der Mondsichel erhellt wurde. Grillen zirpten, verstummten für einen Augenblick, und es entstand eine für das Gehör geradezu schmerzhafte Stille. Umso behaglicher war es, wenn der helle Klang erneut anhob. Die weißen Blüten des Geißblatts an der Hausmauer verströmten ihren Duft nach Honig und Vanille, durchmischt mit dem Geruch von Stein, der die gespeicherte Wärme des Sonnentages allmählich an die seidige Luft abgab.
Groß war die Willkommensfreude der Greenwoods gewesen, als Richard an Mayas Seite das Haus betreten hatte, und sie hatte ihn seither keinen Augenblick mehr für sich allein gehabt. Während des Dinners hatte Maya kaum den Blick über ihren Tellerrand zu heben gewagt, hatte still und stumm ihr Lamm mit Minzsauce von einer Seite zur anderen geschoben. Voller Furcht, ihre Mutter oder Angelina könnten ihr an den Augen ablesen, was im Garten geschehen war. Als hätten Richards Küsse – diese heimlichen, so unschicklichen, so herrlichen Küsse – sichtbare Spuren hinterlassen. Nur dann und wann hatte sie unter gesenkten Lidern hervorgeblinzelt, wenn sie spürte, dass Richards Blicke sie streiften oder einen Moment lang auf ihr ruhten. Dann hatte sie ein Gefühl der Glückseligkeit durchströmt, das ihr beinahe den Atem nahm. Und nur mit halbem Ohr hatte sie Richards Erzählungen von Indien gelauscht, während Gerald, Martha und sogar Angelina gebannt an seinen Lippen hingen. Nicht zuletzt, weil er für sie wie eine Verbindung zu Jonathan war, der ihnen allen so sehr fehlte.
Richard hatte von Pfauen im Geäst von Eichen erzählt, die die glutrote Scheibe der untergehenden Sonne anschrien. Verschleiert von den blauen Schwaden der Dungfeuer, die sich mit dem Aroma von Gewürzen und Kokosnussöl zu einem durchdringenden, aber keineswegs unangenehmen Geruch verbanden. Und er berichtete von seinem kuhstallähnlichen Bungalow im Regiment von Baroda, vom Prinz von Gaikwar, der die Soldaten der Kaserne gerne mit Kämpfen zwischen zwei Elefanten und einem Tiger oder Büffel unterhielt. Er hatte Jagdausflüge auf dem Rücken eines Elefanten geschildert und die undurchdringlichen, üppigen Dschungel im Landesinneren beschrieben, genauso wie seine Studien der Sprachen, Sitten und Gebräuche des Landes und seine Tätigkeit als Übersetzer. Seine Mission als Kundschafter in der Verkleidung eines iranisch-arabischen Handelsreisenden namens »Mirza Abdullah« und seine Enttäuschung darüber, dass ihm vier Jahre zuvor die erbetene Versetzung an die Front im Krieg gegen die Sikhs um das Gebiet des Punjab verwehrt worden war, kam zur Sprache, und schließlich hatte er von den drei Werken berichtet, die er nach seiner Rückkehr verfasst hatte und die gerade für die Veröffentlichung vorbereitet wurden: Goa and the Blue Mountains , Scinde or the Unhappy Valley und eine ethnologische Abhandlung über die dortigen Völkergruppen. So waren die Stunden verstrichen, bis Martha Greenwood ihre Töchter zu Bett geschickt, beide Richard mit einem wohlerzogenen Knicks eine gute Nacht gewünscht hatten und die Männer sich zu Brandy und Tabakrauch wie in guten alten Zeiten in Geralds Arbeitszimmer begaben, wo sie seither beisammensaßen.
Männerstimmen drangen aus dem
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