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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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die Oberschenkel lehnte. »Nein, ich bin von selbst aufgewacht.« Verlangend reckte sie ihm die Arme entgegen.
    »Den Kaffee oder mich?«, fragte er mit einem Schmunzeln nach.
    Maya legte den Kopf schräg, machte ein nachdenkliches Gesicht. »Mmmh … Beides!«, verkündete sie schließlich mit einem Kichern. Er ließ sich auf der Bettkante nieder, und Maya umschlang ihn mit aller Kraft, als sie ihn heftig und unmorgendlich küsste, bis er sich von ihr losmachte.
    »Nicht jetzt – ich muss zum Dienst«, lachte er leise; ein flaches, ein freudloses Lachen. »Hier«, sagte er, als er ihr den Becher hinhielt, »aber bleib ruhig noch liegen. Es ist ja noch so früh.« Er drückte die Lippen auf ihre Stirn. »Bis heute Abend.« Am heißen Kaffe nippend, sah Maya zu, wie er sich seinen Helm schnappte, der auf dem Stuhl in der Ecke bereitlag, und ging. Kaum war die Tür des Bungalows hinter ihm zugeklappt, stieg in Maya das bleierne Gefühl innerer Leere auf, das ihr in den vergangenen vier Monaten zu einem vertrauten Begleiter geworden war.
    Natürlich konnte sie liegen bleiben, wenn ihr danach zumute sein sollte, sogar den ganzen Tag lang. Hier in Aden gab es für sie kaum etwas zu tun. Der winzige, hastig aus dem dürren Boden gestampfte Bungalow auf dem Garnisonsgelände – Schlafzimmer, Bad, und ein Raum, der zugleich als Diele, Salon und Küche diente – machte kaum Arbeit. Zumal Gita, eine Bengalin mittleren Alters, jeden Tag für ein paar Stunden aus der Stadt herüberkam und sich um das Gröbste kümmerte. Doch der Kampf gegen den allgegenwärtigen Staub und den feinen Ruß der im Hafen verladenen Kohle, den der Wind durch das Inselinnere herübertrug, erwies sich ohnehin als aussichtslos. Daher blieb Maya nichts weiter übrig, als die Stunden hinter sich zu bringen, so gut es ging, bis sie um acht Uhr abends der Salutschuss der Garnisonskanone zusammenzucken ließ und sie bald darauf mit Ralphs Rückkehr rechnen konnte. Sofern er nicht noch einen kleinen Umweg über das provisorische Offizierskasino machte, wo er und die anderen hier stationierten Soldaten sich bei einigen Gläsern Brandy ihrem Ärger über den Dienst in Aden Luft machten.
    Aden und sein Hinterland waren reich an Steinkohle – ideal also, um den Pendelverkehr zwischen England und dem indischen Subkontinent, der an dieser Küste vorbeiführte, um eine Kohlestation zu erweitern und dadurch auf den Schiffen Platz und Gewicht zu sparen. Dieses Argument war auch der Vorwand gewesen, unter dem Commander Stafford B. Haines mit einem kleinen Schiffsgeschwader 1839 Aden für England eingenommen hatte. Allerdings nicht ohne Gegenwehr wie ursprünglich erwartet.
    Der Sultan von Lahej hatte anfangs unter gewissen Voraussetzungen großes Interesse an einer britischen Besatzung bekundet. Das südwestliche Arabien war zwischen der malerischen Küste und dem glühenden Herzen der Halbinsel, der immensen Wüste der Rub al-Khali, des »Leeren Viertels«, in zahlreiche Sultanate zersplittert, deren wechselseitige Loyalitäten sich scheinbar mit den Jahreszeiten ändern konnten. Dass zwischen ihren Grenzen kriegerische Beduinenstämme hin und her wanderten, die auf ihrer Unabhängigkeit beharrten oder sich mal dem einen, mal dem anderen Sultan als Söldner anboten, entweder in Auseinandersetzungen untereinander oder zur Bewachung der Handelskarawanen durch das Land, verkomplizierte die Lage noch zusätzlich. So hatte sich der Sultan von Lahej eine durch britische Truppen beschützte Souveränität für seine Herrschaft nach dem Muster der Maharajas in Indien erhofft, genauso wie eine militärische Schützenhilfe im Kampf gegen seine Feinde, wie den Sultan von Fadhli oder das Osmanische Reich, das sich Aden nur zu gerne einverleibt hätte. Und auch der Vizekönig von Ägypten hatte schon einmal seine Hand nach Arabien ausgestreckt, war aber am Widerstand der dort ansässigen Stämme gescheitert. Denselben Widerstand hatten auch Haines’ Männer anfangs zu spüren bekommen. Mittlerweile war jedoch in Aden Frieden eingekehrt.
    Ein Friede, der die britischen Soldaten in jenem August 1854 in einem merkwürdigen Balanceakt zwischen gähnender Langweile und angespanntem Warten hielt. Warten, ob sich der Kriegsschauplatz zwischen Konstantinopel und St. Petersburg vom Balkan hierher verlagern würde oder ob die entscheidenden Schlachten doch eher am Schwarzen Meer stattfinden würden. Warten, ob sich nicht doch in den weiter entfernten Sultanaten etwas zusammenbraute.

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