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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Aber es lebten auch Menschen in diesen Zelten: Lastenträger, Stallburschen, Hilfskräfte arabischer Herkunft, aus Bengalen oder Afrika, die alles an Handlangerdiensten erledigten, was in der Garnison tagtäglich anfiel.
    Die Wege waren weit in Aden, und überall beiderseits der doppelten Verteidigungsmauer, die Garnison und Stadt voneinander trennte, standen die Somalikutscher mit ihren zu mietenden Ponykarren bereit. Auch Maya und Gita nahmen einen davon, um sich durch eine der wenigen Maueröffnungen auf die andere Seite hinüberbringen zu lassen, in die Stadt, die eine bunte Mischung aus Altem und Neuem war.
    Maya konnte nicht oft genug durch die schnurgeraden, breiten Straßen bummeln, Gita, die kleine, mollige Bengalin immer neben sich, deren traditioneller Sari in einem verwaschenen Olivgrün keineswegs eine Besonderheit in Aden darstellte. Weil Aden von Bombay aus verwaltet wurde, hatte die Aussicht auf einen guten Verdienst auch viele Arbeitskräfte aus Indien angelockt, so viele, dass sie mittlerweile ein Drittel der Bevölkerung Adens stellten und das meiste hier mehr indisch denn arabisch wirkte, die Märkte mehr bazaar denn suq waren. Gita grüßte immer wieder jemanden, und sogleich flogen ein paar freundliche Worte auf Bengali hin und her. Selbst die wieder aufgebaute Moschee über dem Grab des Schriftgelehrten Sayyid Abdullah al-Aidrus hätte mit ihren luftig-weißen, pavillonähnlichen Bauten neben dem schlanken Minarett und in der Nachbarschaft der Tempel von Hindus und Parsen besser nach Delhi gepasst. Nur die anderen, traditionelleren Moscheen der Stadt und eine einsame katholische Kirche rückten das Bild wieder gerade.
    Maya war immer wieder aufs Neue hingerissen von dem bunten Völkergemisch, durch das sie schlenderte, und von dem babylonischen Sprachgewirr, das in der Luft lag. Neben Bengali konnte sie Urdu hören, aus der Gegend um Delhi oder dem Punjab, Hindustani aus Kalkutta, und wer aus Bombay den Weg hierher gefunden hatte, sprach oft Marathi. Französische und portugiesische Worte schwirrten durch die Luft, Englisch und Arabisch natürlich, gesprochen von den drahtigen kleinen Männern des Südens mit ihrer dunkelbraunen Haut und scharfen Gesichtszügen, von denen viele qat kauten, die Blätter eines einheimischen, immergrünen Strauches, in ihrer Wirkung anregend wie Kaffee oder Tee, das ihre Wange ausbeulte, während sie ihrer Arbeit nachgingen. Daneben die Männer aus den Bergen, von hohem Wuchs und hellerem Teint; Männer, deren Blöße ein Lendentuch bedeckte und die auf dem Kopf einen mehrfach gewickelten, gemusterten Turban trugen; Männer in langen fließenden Gewändern mit ärmellosen Westen darüber – und fast alle trugen zumindest einen Oberlippenbart, wenn sie nicht auch Bartwuchs auf Kinn und Wangen hatten. Nur selten sah man schwarz gewandete, verschleierte Frauen vorüberhuschen, von denen nur die Augenpartie unverhüllt blieb, mal in Begleitung eines Bruders oder Ehemanns, mal in Grüppchen mit anderen. Überdeutlich stachen sie neben der fröhlichen Kleidung ihrer indischen Schwestern hervor, deren Armreifen und Schmuck am linken Nasenflügel im Sonnenlicht aufblinkten. An die Sarizipfel klammerten sich kleine Kinder, splitterfasernackt, und häufig trugen Mütter, ebenso selbstverständlich wie nachlässig, einen schlafenden Säugling auf dem Arm, als handelte es sich dabei um eine Puppe. Bullige Nubier mit blauschwarzer Haut schulterten Säcke mit Salz, und auch die schlanken Somalis waren überall zu sehen. Vor allem deren Frauen, die sich in sari-ähnliche, bunt gemusterte Baumwolltücher hüllten, beeindruckten Maya sehr, wenn sie stolz an ihr vorüberschritten, einen Korb mit Obst und Gemüse auf dem hoch erhobenen Haupt balancierend. Hin und wieder konnte Maya auch einen Blick auf einen Juden erhaschen, das kupferfarbene Gesicht eingerahmt von langen schwarzen Schläfenlocken unter der bestickten Kappe. Juden, die sich noch in der Epoche König Salomos hier niedergelassen und unter den wechselnden Herrschern tapfer ausgeharrt hatten. Deren Gemeinde – an die Garnison angrenzend, in den letzten Jahren mit der rasch wachsenden Stadt verschmolzen – war seit Haines’ Ankunft von einem versprengten Häufchen von kaum zweihundert Personen wieder stetig angewachsen und umfasste jetzt knapp dreizehnhundert Männer, Frauen und Kinder und mehrere Synagogen. Auch sie profitierten von der englischen Besatzung, hinsichtlich ihrer Geschäfte ebenso wie durch die

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