Unter dem Safranmond
im Hintergrund, eine sandige Piste, ein halbes Dutzend lottriger Karren im Schutz des hässlichen Eisendachs, vor die schläfrige Ponys mit verfilztem Fell gespannt waren und in denen noch schläfrigere Somalis dösten. Dahinter lag in der Sonne das weiß getünchte Grabmal irgendeines Heiligen, mit einer Andeutung von Garten links und rechts. Hier hatte jemand zumindest guten Willen gezeigt, denn die wenigen Pflanzen versuchten allenfalls unter der dicken Schicht aus Ruß und Staub grün auszusehen, schienen sich aber in der Sonnenglut zu verformen und im nächsten Moment schmelzen zu wollen. Eine Straße, die diesen Namen im Grunde nicht verdiente, krümmte sich zu einem Bogen, an dem entlang sich notdürftig und wenig einfallsreich erbaute Häuschen sammelten. Nicht weit davon erstreckte sich auf einem Steinsockel ein längliches Gebäude aus Holz mit einer Säulengalerie, die den Blick freigab auf die geöffneten Türen einzelner Zimmerchen, den Kammern einer Bienenwabe gleich. Das Schild über der Eingangstür ließ keinen Zweifel: Es handelte sich um das Prince of Wales. Das beste Hotel auf der Halbinsel. Und das einzige.
In einem der Pony-Karren holperten Maya und Ralph die Küstenstraße entlang, durch Sand und über Steine, die sie beide durchschüttelten und auch den Wagen Gefahr laufen ließen, jeden Augenblick in seine Einzelteile zu zerfallen, sofern das altersschwache Pony, das der Somali ungerührt mit der Peitsche traktierte, nicht zuvor zusammenbrach. Auf der linken Seite funkelte das Meer, auf der rechten stiegen zerklüftete Felswände empor, flachten sich wieder ab, tauchten plötzlich zu beiden Seiten auf, ließen den Karren durch einen kleinen natürlichen Pass rumpeln, ehe er wieder in die Ebene hinabrollte. Auf halber Strecke, nach gut zwei Meilen, tauchte etwas auf, das wohl ein Dorf darstellen sollte. Am Strand lagen kleine einheimische Boote auf dem Trockenen, zwischen denen arabische Seeleute mit gekreuzten Beinen im Sand saßen und ihre Segel flickten. Dann stieg die Straße steil auf den rauen Felsen an, ließ das Meer in der Tiefe zurück, bog landwärts ab, und als sich vor Pony und Karren eine Steinwand schob, packte Maya Ralphs Hand fester.
Denn die schmale Straße, die sich zwischen karstigen Steilhängen hindurchschlängelte, führte durch ein von Menschenhand erbautes Tor, das Maya im Schatten des Nachmittags wie ein gähnender Schlund erschien, bereit, sie beide zu verschlingen.
2
»Allaa-huuuu ak-barrr! Allaa-huuuu ak-barrr!« Von den Minaretten der Stadt riefen die Stimmen der Muezzins ihre Gläubigen zum Morgengebet, langgezogen und klagend, einander überlagernd und durchdringend, schwermütig und inbrünstig zugleich. Räder rumpelten über steinigen Boden, Stiefel knirschten im Militärschritt durch Sand. Heiser schrie irgendwo ein Esel, ein Kontrapunkt in der Sonate von Pferdeschnauben, dem Meckern von Ziegen und dem ungehaltenen Röhren bockender Kamele. Dazwischen Männerstimmen, zackig englisch oder schrill melodiös, wenn sie von den Händlern und Lastenträgern stammten, die ihr Tagwerk begannen. Nur ganz, ganz sacht war das Rauschen des nahen Meeres zu vernehmen.
Das Camp erwachte, wie jeden Morgen, und Maya blinzelte unter halb geschlossenen Lidern in die fahlen Lichtstrahlen, die sich durch das enge Fenster quetschten. Obwohl es noch früh am Tag war, ihr Nachthemd dünn und leicht, rann ihr der Schweiß den Rücken hinab, klebte ihre Zunge am Gaumen, und ihre Lippen schmeckten salzig. So salzig, wie fast alles in Aden schmeckte, sogar die Luft zum Atmen. Als sei die winzige Halbinsel, durch einen natürlichen Damm wie an einer Nabelschnur am arabischen Festland hängend, einst ein Schwamm voll Meerwasser gewesen, das dann unter der Sonnenglut verdunstet war und Fels und Boden bis in jede Pore mit dem übriggebliebenen Salz getränkt zurückgelassen hatte.
Ein Geräusch aus dem vorderen Zimmer ließ Maya sich umdrehen, und als sie sah, dass die andere Hälfte des schmalen, aus einfachen Holzlatten gezimmerten Bettes leer war, setzte sie sich auf. »Ralph?«
Ihr Ehemann erschien im Rahmen der Verbindungstür, in hellen Hosen und Hemd, seinen roten Uniformrock noch aufgeknöpft, einen Emailbecher mit dampfendem Kaffee in der Hand. »Guten Morgen. Hab ich dich geweckt? Entschuldige, ich habe mich extra bemüht, leise zu sein.«
»Guten Morgen«, erwiderte Maya, schüttelte den Kopf und gähnte, als sie die Knie anzog und sich halb mit dem Oberkörper auf
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