Unter dem Safranmond
zu füllen, aber bei Weitem nicht genug, um verschwenderisch damit umgehen zu können. Oben auf den Bergen gab es zwar alte, zwischen die Felsen gemauerte Zisternen, um eben dieses Regenwasser zu sammeln, aber die meisten davon waren voller Geröll und Dreck, Überbleibsel aus Adens armen, verlassenen Jahrzehnten, und unbrauchbar. Outram hatte sich deren Instandsetzung auf seine Agenda gesetzt, wie Ralph Maya im Vertrauen erzählt hatte, weil Aden nur mit ausreichender Wasserversorgung wachsen konnte. Ein Trost für Maya, wenn auch ein schwacher, weil noch kein Termin feststand, zu dem mit den Arbeiten daran begonnen werden würde.
Als Maya sich in ihrem einstmals eierschalfarbenen, jetzt aschgrauen Sommerkleid das Haar aufsteckte, beschloss sie, Gita in den wenigen Brocken Englisch und Bengalisch, die sie sich gegenseitig beigebracht hatten, zu bitten, mit ihr auf den Basar der Stadt zu fahren. Ralph mochte es nicht, wenn sie ohne ihn dort hinging; es schien ihm zu unsicher, auch wenn die Zeiten, in denen selbst ein Commander Stafford B. Haines nur mit zwei Pistolen bewaffnet das Haus verließ, längst Vergangenheit waren. Das Treiben auf den Märkten belebte und erfreute Maya, und sie kehrte nie zurück, ohne eine Kleinigkeit oder eine besonders schöne Frucht für Ralph mitzubringen.
Der Halbkreis jäh abfallender, schwarz glänzender Felswände, in den die Stadt hineingebaut war, war das Relikt eines längst erloschenen Vulkans und wurde deshalb auch einfach nur »Krater« genannt. Sobald Maya aus der Tür trat, vermied sie den Blick hinauf zu den sich auftürmenden Graten und Felsspalten. Feindselig schienen sie ihr, in ihrer finsteren Nacktheit, ihrer Abwehr, auch nur den kleinsten Bewuchs zuzulassen, und so beklemmend, dass allein das Wissen um deren Anwesenheit in ihrem Rücken ihr manchmal Atemnot verursachte. Nur zwei enge Schluchten unterbrachen den Ring des Kraters und die breite Lücke hinter der Garnison, die sich zu einem Strand hin öffnete: Hier war der alte Hafen Adens gewesen, solange man Schiffe noch aus Holz und nicht aus Eisen gebaut hatte, bewacht und vor der Brandung des Ozeans durch die Felsinsel von Sirrah geschützt.
Der Krater hatte viele Zivilisationen und Religionen kommen und gehen sehen, die sich in dieser natürlichen Festungsanlage am Meer niedergelassen hatten, war Zeuge von Reichtum und Armut, emsigen Hausbaus und schnellen Verfalls unter der unbarmherzigen Sonne gewesen. Und wie das Meer bei Flut über den Strand strich und sich bei Ebbe wieder zurückzog, war auch die Halbinsel über die Jahrhunderte von Menschen bevölkert und wieder verlassen worden. Nach den antiken arabischen Reichen von Ausan und Saba waren es die aus Ägypten stammenden Ayyubiden und die türkischen Rasuliden gewesen, die aus Aden einen lebhaften Handelsplatz gemacht hatten, und selbst Marco Polo hatte schon von Aden und seinen gut achtzigtausend Einwohnern berichtet. Portugiesen waren hier gewesen, Holländer und Osmanen, für wenige Monate sogar schon einmal die Engländer, durch Napoleons Feldzug in Ägypten aufgeschreckt. Als Haines den Union Jack im Inneren des Kraters gehisst hatte, war Aden jedoch, wie schon mehrere Male zuvor, ein Trümmerfeld gewesen, von kaum sechshundert Menschen bewohnt.
Und auch wenn Aden immer noch mehr einem Camp denn einer wirklichen Stadt ähnelte, so begann sich der Umschwung abzuzeichnen, weg von allem Provisorischen, hin zu einer dauerhaften Ansiedlung, die rund zwanzigtausend Menschen ein Dach über dem Kopf und Arbeit bot. Vom Strand vor Sirrah aus breitete sich die Garnison großflächig auf dem ebenen Boden des Kraters aus. Einst hatte hier eine prächtige Moschee gestanden, die aber schon längst in sich zusammengefallen und abgetragen worden war. Nur das Minarett stand noch. Durch seine Bauweise wie durch die Nähe zum Strand einem Leuchtturm ähnelnd, blickte es aus seiner Höhe auf die Baracken der Garnison hinab. Aus Stein und Holz erbaut, waren die Unterkünfte von quadratischem bis länglichem Grundriss, das tief herabgezogene strohgedeckte Walmdach wurde ringsum von hölzernen Säulen gestützt. Ställe und das Magazin befanden sich auf dem von Festungswällen umgebenen Gelände zusammen mit einzelnen, erst kürzlich errichteten Bungalows wie dem der Garretts. Am Fuße des alten Minaretts standen geräumige Zelte, in denen das Hab und Gut des Militärs untergebracht war, das noch auf die Fertigstellung der im Bau befindlichen Lagerräume warten musste.
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