Unter dem Safranmond
afrikanische Abenteuer ausgesprochen hat. Wobei: Sollen sie doch ihre Hälse riskieren, wenn sie unbedingt wollen! Um Speke wäre es vielleicht schade, scheint ein netter Kerl zu sein – aber um diesen arroganten Pinsel Burton sicher nicht!« Aufgebracht feuerte er den Rock zu Boden, wand sich aus den Hosenträgern, blieb aber auf der Bettkante sitzen. Maya fing im Spiegel seinen verblüfften Blick auf. »Woher kennst du ihn eigentlich?«
Einen winzigen Moment hielt sie darin inne, fuhr dann emsig damit fort, ihr Haar durchzubürsten. »Von früher«, erklärte sie leichthin. »Er war ab und zu Gast meines Vaters, als er noch in Oxford studierte.« Ralph stand auf und zog das Hemd aus dem Hosenbund. »Und weshalb erfahre ich das erst jetzt?«
Maya lachte, ein dünnes kleines Lachen, während sie ihr Haar weiter bearbeitete. »Oje, Ralph, wenn ich dir alle Studenten aufzählen soll, die über die Jahre in Black Hall ein und aus gegangen sind, würden wir morgen früh noch hier sitzen!« Er trat hinter sie und sah ihr zu, abwechselnd ihre Rückansicht und ihr Spiegelbild.
»Ich mag nicht, wie er dich anschaut«, sagte er langsam. Maya warf ihm einen neckenden Blick über ihre Schulter hinweg zu.
»Du wirst doch wohl nicht eifersüchtig sein?«
Er packte ihren Unterarm und riss sie herum, dass die Bürste krachend aus ihrer Hand in die Ecke flog. »Hast du was mit ihm?!«, herrschte er sie an und schüttelte sie. Maya rang darum, sich ihren Schrecken nicht anmerken zu lassen, Ruhe zu bewahren.
»Unsinn«, gab sie verärgert zurück und versuchte, sich von ihm freizumachen. »Wie kommst du darauf?« Vor ihr blitzte für den Bruchteil einer Sekunde das Bild einer Gasse in der Stadt auf, in die Richard sie während eines Wolkenbruchs zog; ein Bild von ihnen beiden, wie sie sich küssten, und dann Richards Blick heute Abend, wie ein verwundetes Raubtier.
Als hätte Ralph ihre Gedanken lesen können, stieß er sie rücklings gegen die Wand, dass Maya beim Aufprall nach Luft schnappen musste. Er hielt ihre Arme umklammert und schüttelte sie, brüllte sie an: »Gib mir gefälligst eine Antwort! Hast du was mit ihm?«
»Nein, hab ich nicht«, schrie Maya zurück, suchte sich mit ruckartigen Bewegungen aus seinem Griff zu befreien, ihm mit den bloßen Füßen vor die Schienenbeine zu treten. »Und jetzt lass mich los, du tust mir weh!«
Ebenso plötzlich, wie er auf sie losgegangen war, gab er sie auch wieder frei, fiel förmlich in sich zusammen. Erschrocken über seinen eigenen Ausbruch sah er sie an, wie sie sich über die schmerzenden Unterarme und Handgelenke rieb, hob seine Hände, tastete in fahrigen Bewegungen vorsichtig, streichelnd über ihre Schultern, Arme, ihr Gesicht, als müsste er sich vergewissern, dass er ihr nichts gebrochen hatte. »Verzeih mir«, stammelte er, »das … das wollte ich nicht. Geht es dir gut?«, fragte er vorsichtig und den Tränen nahe, als er über ihr Gesicht strich. Maya nickte, schniefte leise, zuckte kurz zusammen, wehrte sich aber nicht, als er sie in seine Arme zog. »Ich wollte dir nicht wehtun, Ehrenwort«, murmelte er in ihr Haar, als er sie sachte wiegte. »Du bist mir doch das Wichtigste im Leben.«
Sie umklammerten einander wie die Waisenkinder, die sie geworden waren. Maya dachte an den Brief, den Ralph vor zwei Wochen nach langem Schweigen endlich aus Gloucestershire erhalten hatte. Mit versteinerter Miene hatte er ihn zusammengeknüllt und achtlos ins Herdfeuer geworfen, war dann ins Kasino verschwunden, von wo er erst spät in der Nacht mit schweren Schritten und in eine Wolke aus Rauch und Alkoholdunst zurückgekehrt war. Wortlos hatte er sich neben sie gelegt, war augenblicklich eingeschlafen und hatte diesen Brief mit keiner Silbe mehr erwähnt.
Als sie so aneinander Halt suchten, war es Maya, als stünden sie auf einer abschüssigen Rampe, auf deren spiegelglatter Oberfläche sie langsam, aber unaufhaltsam hinunterschlitterten, dem Abgrund entgegen.
4
Auch gut zweihundert Meilen entfernt saßen an diesem Abend Männer beisammen, tranken und erörterten die Lage. Sprachen über den Freihafen von Aden, über Outram und Haines und über den Sultan von Lahej. Doch statt Gin gab es Gewürztee, und ihre Sprache war nicht Englisch, sondern Arabisch.
Der Palast des Sultans von Ijar war ein lang gezogener, verschachtelter Komplex, dessen Architektur an die Vorväter von Sultan Salih ibn Muhsin al-Ijar erinnerte. Generation um Generation hatte mit zunehmendem
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