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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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man will: Die Idee mit dem Freihafen war ein Geniestreich! Je unentbehrlicher Aden für die Company ist, desto größer das Interesse, die Stellung auch zu halten. Und sei es nur aus wirtschaftlichen Gründen. – Aahh«, rief er unvermittelt lang gezogen aus und machte eine große Geste hin zur Tür, »je später der Abend, desto größer die Ehre des Besuchs! Jetzt können wir gleich aus ebenso berufenem wie prominentem Mund eine Einschätzung der Lage erhalten!«
    Drei Männer traten lachend über die Schwelle des Kasinos. Der jüngste von ihnen, vielleicht etwas über Mitte zwanzig, war groß und sehr dünn. Seine blauen Augen, rund wie die eines Kindes, mit dem ebenso erstaunten, naiven Blick, und die lohfarbene, kaum zu bändigende Mähne wiesen ihn als Engländer aus, vielleicht mit einem skandinavischen Einschlag. Der Zweite war schwer auf ein bestimmtes Alter zu schätzen, wohl um die dreißig, unscheinbar, jedoch von jener in sich ruhenden Wesensart, die einen sofort ansprach und Vertrauen einflößte. Doch es war der Dritte in ihrem Bunde, der alle Blicke des Raumes auf sich zog; weniger durch die dramatische Ankündigung des Offiziers als durch seine pure physische Präsenz, durch sein auffälliges Äußeres, neben dem seine beiden Begleiter deutlich verblassten. Maya schoss das Blut in die Wangen, und sie duckte sich, die Lider gesenkt, als könnte sie sich so unsichtbar machen, doch Richard hatte sie bereits entdeckt. Murmelnd entschuldigte er sich kurz bei seinen Begleitern und kam in langen Schritten auf sie zu, seinen Hut in der Hand zusammengedrückt.
    »Guten Abend, Ladys«, rief er mit einer galanten Verbeugung in die Runde des Damenkränzchens, das ihm mit dieser Mischung aus erschrockener Missbilligung und hingerissener Faszination entgegensah, die Richard Francis Burton fast immer beim anderen Geschlecht auszulösen pflegte. Ohne auf ein Entgegenkommen Mayas zu warten, nahm er ihre Linke aus dem Schoß und drückte einen Kuss darauf, genau auf die Stelle, die von ihrem Ehering geschmückt wurde. Ein bewusst gesetzter Fauxpas dieses Mannes, der als Enfant terrible bekannt war, und Maya ahnte, was er ihr damit sagen wollte. »Enchanté, Madame« , raunte er, Spottlust im Blick, ehe er übertrieben die Hacken zusammenschlug und sich wieder zu seinen Begleitern gesellte.
    Maya sah zu, wie Richard nachlässig seinen Hut auf den Berg von Kappen und Militärhelmen warf, der sich in der Mitte des Billardtisches angesammelt hatte, sich von einem der Bediensteten ein gefülltes Glas reichen ließ und die drei Gentlemen reihum Hände schüttelten, sich namentlich miteinander bekannt machten und Floskeln wie »erfreut« und »angenehm« von sich gaben. Der Unscheinbare war unter den Soldaten offenbar kein Unbekannter; trotzdem schnappte Maya auf, wie er einem der Offiziere als »Dr. John Steinhäuser … am Hospital hier … sag doch einfach Styggins , so nennen wir ihn …« vorgestellt wurde.
    Aus dem vollen, geschwungenen Mund des dunkelblonden Engländers kamen auf sehr charmante wie selbstbewusste Art Satzfetzen wie »Lieutenant John Hanning Speke … zehn Jahre im 46. Regiment der Bengal Native Infantry … drei Jahre Heimaturlaub vor mir … gerne hinüber nach Afrika, um zu jagen … schon eine recht beachtliche Sammlung der Fauna Indiens und Tibets …«
    Richard Francis Burton bedurfte offenbar keiner großen Vorstellung; seine Erscheinung und der Name allein, der sich wie ein Lauffeuer durch das Kasino verbreitete, schienen zu genügen, und Maya sah ihm an, wie sehr er seinen Ruhm genoss, als sich die Soldaten um ihn scharten. Auch wenn er durchaus eifriges Getuschel und blasiert emporgezogene Augenbrauen hervorrief. Aber Maya sah auch den fragenden Blick, den Ralph ihr zuwarf und den sie nur mit einem müden Heben ihrer Schultern beantwortete, ehe sie sich wieder abwandte. Ihre Wangen brannten unter der Erinnerung jener Küsse in der Gasse, seiner Worte und ihrer handfesten Reaktion darauf. Doch sie konnte nicht anders, als zu lauschen, sich verzweifelt zu bemühen, Bruchstücke der Männergespräche zu erhaschen, soweit sie in das dichtgewobene Netz an Frauenklatsch hineindrangen. Dieses spann sich gerade um eine der heute abwesenden Damen, die während der letzten Parade – regelmäßige Demonstrationen der militärischen Überlegenheit der Engländer, die Outrams Gesetz folgten, nach dem Uniformen mit Respekt gleichzusetzen waren – zum zweiten Mal mit einem ebenfalls verheirateten Captain

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