Unter dem Safranmond
gesäubert und sich ihm mit aufmerksamen Blicken zugewandt hatten. »Vier Jahre, seit in Aden keine Zölle mehr erhoben werden. Vier Jahre, in denen das Sultanat von Lahej blüht und gedeiht, im direkten Handel mit und unter dem Schutz der faranj , den Fremden. Vier Jahre, dass sich die Schatullen von Lahej mit Wegzöllen füllen, während sich die unseren zunehmend leeren und kein Geld mehr nachfließt.« Er machte eine Pause und sah seine Sheikhs der Reihe nach an, die mit betrübten Mienen zustimmend nickten.
»Die Händler klagen, die Bauern und Handwerker ebenso«, ließ sich einer von ihnen vernehmen.
»Bei uns auch«, stimmte ihm ein Zweiter zu.
»Der Sultan von Lahej ist ein Verräter«, warf ein anderer mit tiefster Verachtung in seiner Stimme ein. »Ein Verräter an den Traditionen und an seinen Brüdern! Er verkauft sich an die faranj , lässt sich von ihnen den Rücken stärken und spuckt so auf den Sultan von Fadhli und den von Aqrabi!« Besonders das Sultanat von Aqrabi, eingeschlossen zwischen Lahej und Aden, flächenmäßig sehr klein und seit Langem freundschaftlich mit Fadhli verbunden, fühlte sich von der zunehmenden Stärke Lahejs bedroht, fürchtete baldige Armut neben seinem immer mächtigeren und reicheren Nachbarn.
»Damit spuckt er auch auf uns!«, ereiferte sich der Nächste, was beifälliges, zorniges Gemurmel der versammelten Männer hervorrief.
»Der Sultan von Fadhli und der von Aqrabi waren uns immer treue Verbündete«, stimmte Sultan Salih zu, »im Handel wie im Krieg, und es betrübt mich, dass ihre Lage keinen Deut besser ist als die unsere.«
»Die faranj haben sogar die Häfen Aqrabis blockiert!« – »Lahej bezahlte Fadhli Schweigegeld, nur um wenig später gegen ihn zu marschieren, unterstützt von den faranj! «
»Lahej verkauft die alleinigen Rechte der Handelslieferungen für Fisch, Fleisch, Butterschmalz und Tabak von außerhalb in sein Sultanat an denjenigen, der ihm am meisten dafür bietet. Die anderen haben das Nachsehen und verlieren so eine Einkommensquelle!«
»Sobald Lahej sich von einem von uns angegriffen fühlt, wird er die faranj zu Hilfe rufen!«
Sultan Salih hob die Hand und wartete, bis das empörte Stimmengewirr abgeebbt und wieder Ruhe eingekehrt war. Sein Kopf neigte sich in Richtung der weiter entfernt sitzenden Männer, die an ihren wind- und wettergegerbten Mienen, den von der Sonne verblichenen Farben ihrer Turbane und Kleidung und nicht zuletzt an den ledernen Patronengurten als Krieger zu erkennen waren. »Was habt Ihr aus Aden zu berichten, Rashad? Ihr seid doch eben erst von dort zurückgekehrt.«
Alle Blicke richteten sich auf den angesprochenen Krieger. Rashad ibn Fahd ibn Husam al-Din al-Shaheen gehörte sichtbar zu den Jüngsten der Runde. Sein Bart, der die vollen Lippen einrahmte und die Schwere der Kinnlinie noch hervorhob, zeigte ebenso wenig eine Spur von Grau wie sein Haar, das er schulterlang trug, nach der herrschenden Sitte seines Stammes. Dessen blauschwarze Farbe fand ihren Widerschein in den Tönen seines Hemdes, in der Taille mit einem breiten Lederriemen gegürtet, reich gefältelt unter den schweren, gekreuzten Patronengurten, dem vielfach um den Kopf gewundenen Tuch und den langen, weiten Hosen – gefärbt mit Indigo, in Rabenschwarz über Dunkelblau bis Violett und Zartgrau.
Selbst wenn sich unter den versammelten Männern einer befunden hätte, der Rashad al-Shaheen nicht kannte, hätte er ihn eindeutig zuzuordnen gewusst. Denn im Umkreis von Hunderten von Meilen gab es nicht viele Stämme, die mit Indigo färbten, nur wenige, die sich darauf so geschickt verstanden, und kaum welche, die Hosen statt der landesüblichen Gewänder trugen. Nur die Reiterstämme aus den Bergen kleideten sich so, und nur die Frauen von al-Shaheen besaßen die Kunstfertigkeit, die Hemden ihrer Männer an Kragen und Säumen mit solch zarten Bordüren in Weiß und Rot zu besticken und mit gehämmerten Silberplättchen zu versehen, die im Licht aufblinkten. Es hieß, den Leuten aus den Bergen sei nicht zu trauen; seien sie doch hinterhältig, diebisch und ohne Ehrbegriff. Doch jeder im Raum wusste, dass dies nicht auf den Stamm von al-Shaheen zutraf – wenn seine Männer auch als besonders kriegerische Gesellen galten, mit denen man sich besser nicht anlegte. Ein Stamm, der sich zwischen den Tälern und Bergen am Rande von Ijar ebenso selbstverständlich bewegte wie in der Wüste der Ramlat as-Sabatayn, der von Vieh- und Pferdezucht lebte
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