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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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verschafft, war zuerst über einen Zaun mit Stacheldraht geklettert und dann ohne Hilfsmittel ein Stück die Fassade hinauf auf einen schmalen Balkon, wo er das Fenster eingetreten hatte. Dann hatte er im Restaurant Feuer gelegt und war anschließend im Reichstagsgebäude herumgeirrt und hatte wahllos gezündelt. Er behauptete, nur Kohlenanzünder benutzt zu haben und Teile seiner Kleidung. Den Brand im Plenarsaal hatte er angeblich mit brennenden Kleidungsstücken und einem angezündeten Vorhang gelegt. Der große Raum brannte in kurzer Zeit lichterloh und es gab eine so enorme Hitzeentwicklung, dass die Glaskuppel im Dach zerplatzte.
    Nur Kohlenanzünder und Klamotten? Und woher kam die teilweise abgebrannte Fackel, die in einem Artikel erwähnt worden war? Sie hatte in einem Sofa gesteckt, das gebrannt hatte. Manche Zeitungen erwähnten, die Feuerwehr hätte im Restaurant und anderen Räumen Spuren von flüssigemBrandbeschleuniger gefunden. Der angebliche Brandstifter trug nichts davon bei sich und sprach immer nur von Streichhölzern und den vermaledeiten Kohlenanzündern. Offenbar war der Holländer zwei Tage, bevor er sich den Reichstag vornahm, schon aktiv gewesen und hatte versucht, das Wohlfahrtsamt in Neukölln, das Berliner Rathaus und das Schloss anzuzünden. Allerdings auf so dilettantische Art, dass dabei kaum Schaden entstanden war und zunächst niemand etwas davon bemerkt hatte.
    Interessant auch die Feststellung, dass der junge Mann zwar kräftig und gesund gewesen war, aber in Holland als Invalide galt, weil er bei einem Arbeitsunfall fast erblindet war. Wie hatte er sich denn dann nachts im dunklen Labyrinth des Reichstags orientiert?
    Seine Tat, so habe er erklärt, hätte er aus Protest gegen die Hitler-Regierung ausgeführt, um die Arbeiterklasse zum Aufstand zu bewegen. Ein kommunistisches Flugblatt habe man bei ihm gefunden und einen Ausweis der KPD. Die Polizei und die Brandexperten der Feuerwehr waren sich einig, dass er diesen Brand niemals allein gelegt haben konnte. Also schlossen die rechten Kommentatoren, dass es sich um einen kommunistischen Umsturzversuch gehandelt habe. Für die Nazis war die Sache ohnehin klar. Sie hetzten die Staatspolizei und die SA auf die angeblichen Verschwörer der KPD, die sich mit dieser Tat allerdings das eigene Haus über dem Kopf angezündet hätten. Seit die Hakenkreuzfahne über der Parteizentrale im Karl-Liebknecht-Haus wehte, war die KPD-Führung auf die Benutzung der Fraktionsräume im Reichstag angewiesen.
    Wie reimt sich das zusammen? Gar nicht. Aber interessant, dass ein englischer Journalist darauf hinweist, dass die Nazi-Führer Göring, Goebbels und Hitler schon sehr früh nach Ausbruch des Brandes vor Ort auftauchten und sofort den Kommunisten die Schuld in die Schuhe schoben. Praktisch im gleichen Moment ging, wie von Zauberhand gelenkt, die Hatz auf die Genossen los. Und eine Verordnung, die das brachiale Vorgehen legitimierte, lag auch schon in der Schublade des Kanzlers.
    Perfekt. Nur dass manches eben nicht passte, vor allem das amateurhafte, scheinbar spontane Vorgehen dieses halbblinden Holländers und die von langer Hand geplante, gut geschmierte Unterdrückungsmaschine der Nazis, die angeworfen wurde, kaum dass dieser scheinbar ahnungslose Junge das Wort »Protest« ausgesprochen hatte.
    Aber eins weißt du ganz genau, dachte Klara: Wenn du bei einer gemeinsamen Aktion als Einziger von der Polizei hochgenommen wirst, dann bist du’s immer allein gewesen, und dabei bleibst du auch.
    Klara schob die ausgeschnittenen Artikel und die Zeitungen beiseite. Die handschriftlichen Notizen des unbekannten Genossen brachten nichts Neues, nur eine lückenhafte Zusammenfassung dessen, was sie gelesen hatte. Am Schluss allerdings die, wie Klara fand, sehr vage Vermutung: »Der Holländer hat mit den Nazis paktiert.« Warum haben sie ihn dann festgenommen?
    Aber nehmen wir einmal an, dieser Marinus van der Lubbe hat im Auftrag der Nazis gehandelt … wo waren dann seine Mittäter geblieben? Seelenruhig aus dem brennenden Gebäude marschiert? Mit Händedruck von Göring, Hitler und Goebbels verabschiedet? Und der dumme Marinus soll als angeblich kommunistischer Verschwörer geopfert werden und tut das auch noch bereitwillig? Oder ist etwa geplant, ihn entkommen zu lassen? Da wird die Polizei aber auch ein Wörtchen mitreden wollen. Hätte man sich nicht einen besseren Strohmann aussuchen können, als ausgerechnet einen halbblinden holländischen

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