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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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angeklebten Zettel an der Tür. Der Mann, ein etwa vierzigjähriger Arbeiter in Manchesterhosen und Sweater, machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Zwei Zimmer, Küche, Etagenklo. Eine Frau, die, kaum dass sie Klara gesehen hatte, den Kittel auszog und erklärte: »Ich geh jetzt erst mal einkaufen, die Kinder sind bei Fritze. Ich bring sie mit, wenn ich zurückkomme … wenn’s nicht stört?« Die Frage war an Klara gerichtet, aber sie sah sie gar nicht an.
    »Sie kann doch nach nebenan, in die Wohnung von Hannes«, sagte Kufler.
    Die Frau nahm das Kopftuch ab und zog ihre Winterstiefel an. »Will ich gar nicht wissen.«
    »Den haben sie nämlich letzte Nacht abgeholt«, sagte Kufler. »Er hat mir gesagt, dass jemand kommt …«
    »Will ich nicht wissen!«, rief die Frau lauter, schnappte sich Mantel und Hut von der Garderobe und eilte nach draußen.
    »Sie ist nervös«, sagte Kufler entschuldigend. »Na ja, Angst hat sie. Die SA holt unsere Leute in großem Stil ab. Den Hannes haben sie gleich im Treppenhaus fertiggemacht, die Blutspur kannst du noch sehen. Das Haus ist leer geworden, weil manche raus sind zu Genossen in der Laubensiedlung. Aber ob die da sicher sind? Wenn das so weitergeht … Bald haben wir nicht mehr genug Kraft zum Gegenschlag. Ich bin vor zwei Wochen hochkant aus der Fabrik geflogen, als die Nazi-Betriebsgruppe mit Hilfe der Geschäftsleitung die RGO-Zelle zerschlagen hat.«
    Klara sah sich unbehaglich um. Es wirkte alles sehr ärmlich,und die Möbel standen merkwürdig ungeordnet, als wäre die Familie gerade erst eingezogen.
    »Können wir nicht gleich rüber?«
    »Ich muss noch unten in der Kneipe den Schlüssel holen. Aber ich kann dir den Karton schon geben, den Hannes bei uns deponiert hat … als hätte er gewusst, was ihm blüht …« Er öffnete einen Schrank, zog unter einigen aufgehängten Mänteln, Kleidern und Jacken eine Kiste aus Pappe hervor und schob sie Klara hin.
    »Ich kann ja mit runterkommen«, sagte Klara. »Nach der langen Reise könnte ich ein Bier vertragen.«
    »Nee, nee … ich bin ja gleich wieder da.« Damit verschwand er, ohne sich noch etwas überzuziehen.
    Zurück kam er mit einem Krug Bier in der einen Hand und dem Schlüssel in der anderen. Er schloss die Tür zu Zaschkes Wohnung auf, hielt ihr das Bierglas hin und sagte: »Ich bring dir die Kiste.«
    Ein Zimmer mit Kochecke. Offenbar hatte es mal zur Nebenwohnung gehört und war später abgetrennt worden. Der Herd war völlig verdreckt, der einzige Tisch mit schmutzigem Geschirr übersät, unter der Spüle standen viele leere Bierflaschen. Klara spürte die Kälte des Zimmers. Hier war lange nicht geheizt worden. Neben dem Ofen lagen ein paar Holzscheite und Briketts. Ein Regal mit Arbeiterliteratur stand schief neben dem ungemachten Bett, Stapel der Roten Fahne und der AIZ auf dem Boden daneben.
    »Hannes war Arbeiterkorrespondent«, sagte Kofler. »Deshalb hatten die ihn gleich auf dem Kieker, weil sein Name in den Zeitungen stand.« Er blieb unschlüssig stehen, die Kiste schien schwer zu sein.
    Klara war jetzt mulmig zumute.
    Die schicken mich nicht nur in die Höhle des Löwen, die werfen mich zum Fraß vor. Andererseits, wenn sie den Zaschke hier abgeholt haben, kommen die erst mal nicht wieder.
    Sie begann, den Tisch abzuräumen, und stapelte das Geschirr im Ausguss.
    Sie deutete auf den frei gewordenen Platz, und Kofler stellte die Kiste ab. Er sah sie unschlüssig an.
    »Geh nur, ich komm schon allein klar. Wir haben uns nie gesehen, ich bin gar nicht da.«
    Kofler nickte erleichtert und zog leise die Tür hinter sich zu.
    Klara machte den Karton auf. Eine Sammlung von Zeitungsausschnitten, außerdem linierte und karierte Zettel, auf denen in akkurat geschriebenen Druckbuchstaben weitere Beschreibungen, Hinweise und Informationen standen. Mensch, Zaschke, wenn sie das bei dir gefunden hätten!
    Sie heizte den Ofen ein. Zuerst qualmte er nur erbärmlich, aber dann zog er doch. Sie las die handgeschriebenen Blätter, die ausgeschnittenen Artikel – auch englische waren dabei – und die aktuellen Zeitungen, die sie gekauft hatte. Gelegentlich nippte sie dankbar am Bier … das hab ich ihm noch gar nicht bezahlt.
    Einige Details im Zusammenhang mit der Brandstiftung im Reichstag waren bemerkenswert: Der Holländer hatte sich angeblich der Polizei gestellt. Er behauptete, ganz allein gehandelt zu haben. Zutritt hatte er sich auf recht unbeholfene Weise über ein Fenster des Reichstagsrestaurants

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