Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
ein regungsloses Bündel erblickte. Es sah aus wie ein toter Mensch, dessen sämtliche Knochen einzeln gebrochen waren. Die Glieder des Unbekannten lagen in unnatürlicher Verkrümmung da.
    Neben Luxon gellte ein Schrei auf, viel lauter als das Wimmern und Heulen der Umgebung. Die Kreatur riss sich los. In Luxons Hand blieben knisternde Schuppen zurück. Jaulend rannte der kleine Missgestaltete auf die Felsen zu. Aus ihnen schnellten sich die Fänger hervor und stürzten sich auf ihn. Mit einer schnellen Bewegung wischte Luxon die Hand ab und ergriff das Schwert. Die drei goldenen Zeichen im Innern der Gläsernen Klinge leuchteten nur schwach, fast nicht sichtbar.
    »Aszorg, Xandor!« lallte Hodjaf, der im Sattel kauerte und mit aufgerissenen Augen auf das Schauspiel starrte, das sich den Reitern bot. Noch immer hielt Hodjaf die Fackel. Aber es hätte deren Licht nicht gebraucht, denn der Himmelsstein mit den unzähligen Öffnungen leuchtete so stark, dass man sogar die Fußspuren sah, die ein einzelner Mensch hinterlassen hatte.
    Aus einigen Löchern ringelten sich schlaff tentakelartige Greifer hervor. Sie hatten im Sand scharfe Schleifspuren zurückgelassen. Jetzt, als das Wesen in der Tiefe des Himmelssteins spürte, dass sich ein neues Opfer näherte, ringelten sich aus mindestens drei Dutzend Löchern dickere und dünnere Tentakel hervor. Ein Stück Körper, in dessen Mitte ein einzelnes Auge sich langsam öffnete und schloss, quoll wie Brei aus einem der größten Löcher. Die Spitzen der Tentakel rissen Schlangenrachen auf. Stacheln und weiße Zähne, an denen kleine Gifttropfen zitterten, zeigten sich im Licht.
    Luxon hörte in seinem Kopf ein dröhnendes und schnarrendes Brummen. Es wurde lauter, je mehr sich von der Kreatur aus dem Gebilde hervorschob. Ein Tentakel riss sich los und bewegte sich wie eine Schlange auf die Vorderfüße von Luxons Pferd zu, das nervös am Rand der Grube tänzelte.
    »Es muss sein«, entschied sich Luxon, und er merkte erstaunt, dass er noch zu grinsen vermochte. Er ließ sich schnell aus dem Sattel gleiten, nahm den Zügel und zerrte sein Pferd hinüber zu Hodjaf. Der Rebellenführer war fast nicht mehr ansprechbar. Aber er gehorchte Luxon mit mechanischen Bewegungen.
    »Hier, der Zügel. Gib die Fackel her!« brüllte Luxon und sprang mit der Fackel in der linken Hand zurück, als das Pferd nach ihm ausschlug. Er schwang das Gläserne Schwert seitwärts und hörte das warme Knistern der Flamme. Wenigstens dieses Licht war ein vertrauter Bestandteil seiner Welt. Er rannte auf die Kante des Kraters zu. Die Fackel versprühte Funken, vor denen die Schlangen zurückwichen.
    Das Schwert glühte nicht auf. Es leuchtete nicht mehr. Und auch das leise, melancholische Klagen erscholl nicht mehr, als Luxon mit einem wuchtigen Schlag den Körper einer Schlange in zwei Stücke zerschnitt. Der fremdartige Laut, unter dessen Einfluss sein Schädel zu zerspringen drohte, wurde drängender, und wieder kamen die entsetzlichen Schmerzen. Schützte der Helm nicht mehr? Verlor das Schwert seine Eigenschaften?
    Der durchlöcherte Stein aus dem Himmel!
    Die Schlangen fürchteten die heiße Flamme und flüchteten über den Sand. Luxon rannte durch den hochstiebenden Staub, bis zu den Schienbeinen versinkend, auf den Körper zu. Er hoffte, dass es Algajar sein würde. Aber mit jedem weiteren Schritt wurde die Gewissheit stärker: Er steckte das Schwert in den Sand und drehte den Kopf zu sich herum.
    »Nohji!« schrie er leise auf. »Die Prinzessin!«
    Jedes Leben war aus ihrem Körper gewichen. Die Schlangen oder der Xandor hatten jeden Tropfen Blut aus dem Körper gesogen. Jetzt sah Luxon auch die schnittartigen Wunden und die kleinen, tiefen Löcher in der Haut. Das Gesicht des blutjungen Mädchens zeigte eine Ruhe, einen entrückten Ausdruck, der von einem leichten Tod sprach. Luxon sprang fluchend auf die Füße und schlug mit dem Schwert nach drei dicken, sich krampfhaft windenden Schlangen, die auf ihn zugekrochen waren. Der unförmige Leib des Xandors war jetzt an drei Stellen und jeweils sehr viel weiter aus dem Stein hervorgequollen.
    »Du verdammter Mörder! Du und Algajar! Ihr seid die besten Freunde…«, schrie Luxon in ohnmächtigem Zorn. Das Schwert in seiner Hand schien selbständig zu werden. Er stach und schlug zu wie ein Rasender. In dem weißen Körper, dessen Oberfläche aussah wie der warzenbedeckte Bauch einer Schlammkreatur, zeichneten sich tiefe Wunden ab. Aus einem Loch

Weitere Kostenlose Bücher