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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Lorenz, deren Eltern aus Nordhessen stammten und die die Sprache ihrer Vorfahren perfekt sprach, nach Hahndorf gefahren.
    »Als Kind war ich oft bei diesem Fest«, erklärte Amber ihrer Tochter, die ein wenig abfällig auf die alten Frauen sah, die in den Trachten ihrer Heimat an Tischen mit selbst gebackenem Kuchen saßen.
    »Mir ist jetzt schon langweilig«, stöhnte Emilia und verdrehte die Augen. Doch dann entdeckte sie einen Jungen, der in ihre Parallelklasse ging, und schon war sie verschwunden.
    Amber lächelte ihr nach. Sie wird groß, dachte sie, als sie sah, wie Emilia sich kokett eine Haarsträhne aus der Stirn strich und an ihrem Kleid nestelte. Sie fängt schon damit an, den Jungs gefallen zu wollen. Emilia besuchte die neunte Klasse, wusste aber schon, dass sie Köchin werden wollte. Amber war klar, dass Emilia mehr durch ihr engelhaftes Aussehen denn durch ihre Intelligenz bestach. Ihre Leistungen in der Schule waren durchweg schwach. Einzig im Musikunterricht tat sie sich hervor.
    Köchin, dachte Amber, als sie Emilia dabei beobachtete, wie sie zwar dem Jungen nacheilte, doch am Buffet verweilte und die Speisen musterte.
    Amber holte für Steve und sich ein Stück von dem herrlich duftenden Käsekuchen und ein weiteres Stück der berühmten Schwarzwälder Kirschtorte.
    Sie plauschte auf dem Weg zurück an ihren Tisch gerade mit einer Hahndorferin, die sich nicht unfreundlich nach Jonahs Befinden erkundigte, da ging die Tür auf, und Ralph Lorenz kam herein.
    Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und in Amber wuchs plötzlich die Sehnsucht, aufzustehen, sich in seine Arme zu werfen und mit ihm einfach davonzugehen. Aber sie verdrängte diese kurze Aufwallung ihrer Gefühle, nickte Ralph freundlich zu und wandte sich dann wieder an Steve, der – wie sie wusste – den sturmfreien Nachmittag auf Carolina Cellar lieber mit Peena verbracht hätte, sich aber trotzdem freundlich gab.
    Schweigend saß das Ehepaar nebeneinander. Amber wusste schon lange nicht mehr, worüber sie mit Steve reden sollte, doch da Steves Schweigen inzwischen nicht mehr bösartig war, machte es Amber nichts aus, stumm neben ihm zu sitzen, als wären sie zwei Reisende, die sich zufällig in einem Zugabteil getroffen hatten.
    »Der Doc ist da«, sagte Steve und stieß Amber leicht mit dem Ellenbogen an. »Willst du dich nicht zu ihm setzen?«
    Amber schüttelte den Kopf. »Ich bin mit dir hierher gefahren, und mein Platz ist an deiner Seite.«
    Steve grinste zufrieden. Amber hatte genau die Worte gefunden, die er hören wollte. Manchmal glaubte sie, dass er etwas über ihre Gefühle für Ralph wusste und sie auf die Probe stellen wollte. Dann aber beruhigte sie sich. Er hat Peena, dachte sie. Noch immer wunderte sie sich über diese Beziehung. Peena war so schwarz wie die Nacht. Konnte es sein, dass Steve sie liebte, oder benutzte er sie so, wie er vordem die Frauen aus dem Bordell benutzt hatte?
    Steve sah sie von der Seite an, und Amber befürchtete, sie könnte rot werden.
    Den Rest des Nachmittags sprach Amber mit diesem und jenem, nahm hier ein Baby auf den Arm, begrüßte dort alte Bekannte, suchte nach Emilia und hatte ein Lächeln für jeden, der ihr begegnete. Nur Ralph mied sie.
    Der Frauenchor gab einige alte Volksweisen zum Besten, die Männer zeigten einen Schuhplattler, dann sang der Kinderchor der Kirchengemeinde. Das Kuchenbuffet wurde abgeräumt, die ersten Schnäpse ausgeschenkt, dann das Abendbuffet aufgebaut.
    Amber und Emilia aßen nur ein wenig vom Heringssalat und den eingelegten Gurken, während Steve sich am Spanferkel und an einer Schweinshaxe mit Sauerkraut gütlich tat.
    Ein Mann in einem schwarzen Anzug kletterte auf die Bühne und klappte den Klavierdeckel hoch. Es war Mitternacht, und die Turmuhr der nahen Kirche schlug zwölf Mal.
    Gerade noch hatten die Frauen hinter der vorgehaltenen Hand gegähnt, gerade noch hatten die Männer sich mit großen karierten Taschentüchern müde den Schweiß von der Stirn gewischt, gerade noch hatten die Kinder zusammengerollt auf den Bänken gelegen und geschlafen und der Wirt hinter der Theke träge die Gläser poliert.
    Doch mit einem Schlag war alles anders. Die Frauen reckten sich und richteten ihr Haar. Mehrere verschwanden zugleich in der Toilette und kamen kurz darauf mit frisch gefärbten Lippen zurück. Die Männer leerten ihre Biergläser auf einen Zug und sahen sich prüfend im Saal um. Die Kinder sprangen von den Bänken, schubsten einander und

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