Unter dem Teebaum
Ausgrabung zugegen sein«, sagte Creally. »Es ist gut möglich, dass Sie wieder in Haft müssen. Aber ich bin sicher, es wird nicht für lange sein.«
Amber saß wie erstarrt auf ihrem Stuhl und hörte den Geräuschen des Baggers zu.
»Es kann doch nicht so lange dauern, das Grab zu finden«, sagte sie, als zwei Stunden vergangen waren. »Ich muss sehen, was dort geschieht.«
Sie stand auf und verließ, gefolgt von Ralph Lorenz, die Veranda, ging um das Haus herum bis zur Teebaumplantage. Männer von einem Begräbnisinstitut luden gerade einen Zinksarg in ihren schwarzen Wagen.
Als sie das und die Verheerungen, die der Bagger angerichtet hatte, sah, schrie sie auf. Ihr Blick begann zu flackern, hielt sich an dem Sarg so lange fest, bis er im Wagen verschwunden war, dann eilte sie über die Plantage.
Sämtliche jungen Bäume lagen wie tote Soldaten in der aufgewühlten Erde. Die weißen Blüten bedeckten den Boden. Doch es sah nicht aus, als wäre im Sommer Schnee gefallen. Die Blüten waren zerquetscht und schmutzig. Sie sahen aus, als wären sie krank.
»Was soll das?«, rief Amber. »Warum durchpflügen Sie die ganze Plantage? Wer hat Ihnen dazu die Erlaubnis erteilt?«
Der Baggerführer erwiderte unbewegt. »Ich habe meine Anweisungen. Der Staatsanwalt, der jede Minute hier sein wird, hat befohlen, alles umzupflügen. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir weitere Leichen finden. Ein Mord oder zwei oder zwanzig ist letztendlich egal. Es gibt immer dieselbe Strafe.«
Amber lief zu einem jungen Setzling, hob ihn vom Boden auf und drückte ihn an ihre Brust, als wäre es ein Kind, als könnte sie die Pflanze mit den durchtrennten Wurzeln wieder zum Leben erwecken. Sie stand da und hielt den Teebaum an ihre Wange geschmiegt, und aus ihrem Gesicht sprachen Unglaube und Entsetzen. Plötzlich dachte sie an Jonah.
Amber schluchzte auf, dann sank sie weinend in Ralphs Arme. »Oh, mein Gott, wenn Jonah das sieht! Erst muss er erfahren, dass sein Vater jahrelang hier gelegen hat und seine Mutter des Mordes an ihm verdächtigt wird, und dann wird die Arbeit vieler Jahre zunichte gemacht. Oh, Ralph, bitte hilf mir. Das ist mehr, als ich ertragen kann.«
Aber es kam noch schlimmer.
Der Staatsanwalt kam nicht allein. In seiner Begleitung waren die beiden Beamten, die Amber in der Nacht abgeholt hatten.
»Es tut mir leid. Ich kann Sie nicht länger auf freiem Fuß lassen. Bitte begleiten Sie die Kriminalbeamten.«
Amber sah flehend zu ihrem Anwalt, doch der zuckte nur mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Sie werden wohl müssen, Amber. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich Sie so bald wie möglich dort raushole. Vertrauen Sie mir.«
Als die Polizeibeamten mit Amber weg waren, sagte der Anwalt: »Irgendetwas stinkt hier. Und zwar ganz gewaltig.«
Er ging mit Ralph zurück auf die Veranda und ließ sich aus dem Keller einen köstlichen Rotwein bringen. »Wir müssen jetzt genau überlegen, wie wir vorgehen, mein Freund«, sagte er zu Ralph.
Emilia kam auf die Veranda. Sie sah verweint aus. »Ich kann das alles gar nicht fassen«, erklärte sie. »Meine Mutter soll den Vater meines Bruders ermordet haben …«
»Nun mal langsam, junge Dame«, beruhigte sie der Anwalt. »Noch ist nichts davon bewiesen. Und ich persönlich glaube nicht, dass Ihre Mutter etwas mit dem Mord zu tun hat. Sie ist nicht der Typ dafür. Außerdem fehlt das Motiv. Aber bevor ich Genaueres weiß, ist sie im Gefängnis am besten aufgehoben. Sagen wir einfach, zu ihrem eigenen Schutz.«
Für Emilia war das alles zu viel. Sie schüttelte nur immer wieder fassungslos den Kopf. Dann fragte sie Ralph: »Würde es dir etwas ausmachen, für eine Weile bei uns zu bleiben? Ich weiß nicht, wie ich das alles durchstehen soll.«
Ralph nickte. »Gern, Emilia. Ich bin da, wenn du mich brauchst. Was immer auch geschieht.«
»Dann werde ich Aluunda bitten, dir das Gästezimmer zu richten. Ich habe auch Jonah angerufen. Er wird bald hier sein.«
»Alles wird gut«, sagte der Anwalt.
Emilia nickte und ging mit hängenden Schultern von dannen.
»Was meinst du, Silvio?«, fragte Ralph, als Emilia verschwunden war. »Hat Amber eine Chance?«
Der Anwalt antwortete nicht, sondern holte stattdessen den Brief mit dem Geständnis von Walter Jordan aus der Tasche.
Langsam las er vor: »Ich, Walter Jordan, geboren am 01.01.1900, gestehe hiermit, Jonah vom Clan der Damala getötet zu haben. Im Herbst des Jahres 1957 zum Weinfest fand ich mich in der Nacht
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