Unter dem Teebaum
im Café gesessen hatte. Wie lange war das her? Wenige Wochen erst, doch schienen Jahrhunderte dazwischenzuliegen.
Amber setzte sich, schlang die Arme um die Knie und summte leise vor sich hin. Ihre Gedanken kehrten in die Vergangenheit zurück. Sie sah sich mit Jonah, erinnerte sich an ihre Wünsche, Träume und Sehnsüchte, an ihren Glauben an die Zukunft. Sie hatte keine Zukunft mehr. Als ihr klar wurde, dass ihr Leben von nun an in der Vergangenheit stattfinden würde, dass sie die meiste Zeit in der Erinnerung leben würde, bekam diese Vergangenheit eine ungeheure Bedeutung. Sie hatte begriffen, dass nichts, nicht ein einziger, winziger Augenblick, wiederholbar war. Alles Erlebte war vergangen, unwiederbringlich. Sie saß mit angezogenen Knien und betrauerte die Möglichkeiten, die sie nun nicht mehr hatte, betrauerte die Illusion, die sie von der Zukunft und der eigenen Unsterblichkeit gehabt hatte.
Der Gedanke war neu. Bisher hatte sie geglaubt, unendlich viel Zeit zu haben. Nichts hatte Eile, das Leben war so lang. Es würde reichen für alles, was sie sich vorgenommen hatte. Der Tag war ein winziger Zeitabschnitt ohne große Bedeutung. Eine Stunde war ein Flügelschlag, eine Minute nicht mehr als ein winziger Hauch, der unbemerkt vorüberging.
Eine Weile später, Amber hatte auch für die Zeit kein Gefühl mehr, kam Aluunda zu ihr. Sie brachte einen kräftigen Teebaumsetzling und eine Kanne mit Wasser.
»Du wirst ihn allein pflanzen wollen, nicht wahr?«, fragte sie. Amber nickte.
Aluunda ging zurück zum Haus, doch nach einigen Schritten wandte sie sich um und sagte: »Es ist ein Brief für dich gekommen.«
Der Jubel, mit dem der Brief geschrieben war, sprang Amber an wie ein wildes Tier, kaum dass sie ihn nur geöffnet hatte.
»Wir heiraten!!! Es ist so weit!!!!«
Amber las die Einladung, las, dass der Hochzeitsgottesdienst am kommenden Samstag um vierzehn Uhr in der katholischen Kirche in Tanunda stattfinden sollte und danach ein Fest auf dem Besitz des Weizenhändlers. Amber las, wie sehr Maggie und ihr zukünftiger Mann sich freuten, gerade sie, ihren Vater und sogar Steve Emslie auf diesem Fest begrüßen zu dürfen.
Wortlos ließ sie das Blatt sinken und reichte es ihrem Vater. Sie standen in der Küche und warteten auf das Abendbrot. Amber hatte darauf bestanden, alle Mahlzeiten dort einzunehmen. Sie brauchte Aluundas Nähe, um ihren Vater ertragen zu können.
Walter setzte sich an den blank gescheuerten großen Holztisch, fingerte umständlich nach seiner Lesebrille, dann studierte er das Schreiben und reichte es an Steve Emslie weiter, der bereits auf der gepolsterten Wandbank saß. Als er fertig gelesen hatte, sagte er: »Ich freue mich über die Einladung. Endlich einmal wieder ein Anlass zum Feiern. Wir sollten hingehen.«
Walter sah zu Amber. »Wir müssen hingehen«, sagte er leise. Amber nickte.
Der Samstagmorgen hatte zur Hochzeit gerüstet. Die Sonne funkelte wie ein großer goldener Schmuckstein am blauen Kleid des Himmels.
Walter Jordan stand im Anzug neben Amber. Er trug einen Strohhut, hatte die Hand über die Augen gelegt und blickte prüfend zum Himmel empor.
»Es wird nicht mehr lange so schön bleiben«, sagte er und zeigte auf den Horizont. Und richtig, ganz weit hinten waren helle Streifen zu sehen, die sich wie blassrosa Rauchsäulen vor den Horizont drängten. »Es wird Sturm geben.«
»Hoffen wir, dass die Feier dadurch nicht beeinträchtigt wird«, antwortete Amber. Ihr Mund sprach noch immer nur Worte, die sie nicht selbst dort hineingelegt zu haben schien, Worte, die einfach da waren, aber mit ihr und ihrer Seele nichts zu tun hatten. Wie sollten sie auch? Amber hatte ihre Seele verloren. Alles in ihr war Gleichgültigkeit.
Der Vater nahm sie beim Arm. »Komm«, sagte er. »Wir müssen gehen. Steve wartet schon.«
Amber setzte sich in Bewegung, aber es war nicht sie, die ihren Füßen den Befehl zum Laufen erteilt hatte.
Sie waren einige Schritte gegangen, da blieb Walter noch einmal stehen. »Meinst du wirklich, dass dieses Kleid das Passende für eine Hochzeitsfeier ist?«, fragte er und sah an ihr herab.
Amber zuckte mit den Schultern. Sie trug das Kleid, das ihr am Morgen als Erstes in die Hände gefallen war. Hätte man ihr die Augen verbunden und sie nach der Farbe gefragt, sie hätte nichts zu antworten gewusst. Ja, es war wirklich so. Amber wusste nicht, was sie da am Leib trug.
Sie sah an sich herab und entdeckte ein grünes Sommerkleid, das mit
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