Unter dem Teebaum
und war mit ihm beim Kricket gewesen.
»Ja, Jonah. Das ist wahr. Margaret und ich lieben dich wie einen Sohn und Enkel. Und ich liebe deine Mutter und werde versuchen, für sie zu sorgen, so gut ich nur kann.«
»Aber was ist mit Steve?«, fragte Jonah.
Ralph seufzte. Er lehnte sich zurück und trank noch einen Schluck von seinem Bier. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.«
»Liebt sie dich auch?«
»Ich hoffe es. Nein, ich weiß es. Ich glaube, sie hat Angst um dich und Emilia. Deshalb bleibt sie bei Steve.«
Ralph sah in die Ferne. »Ich sollte wohl nicht mit dir über solche Dinge reden. Aber du bist klug genug, um deine eigenen Schlüsse zu ziehen.«
Jonah hob sein Glas. »Lass uns anstoßen. Lass uns darauf trinken, dass wir einander mögen und vertrauen können.«
Die beiden stießen an. Sie waren gerührt, und einer suchte seine Rührung vor dem anderen zu verbergen. Aber noch etwas stand zwischen ihnen.
»Findest du es schlecht, dass deine Mutter und ich uns lieben, sie aber mit Steve verheiratet ist?«, fragte Ralph. »Du brauchst keine Angst zu haben, wir haben nicht das, was man ein Verhältnis nennt. Nein, wir sind einfach nur gute Freunde, aber in unserem Herzen empfinden wir für den anderen etwas mehr als nur Freundschaft.«
Jetzt war es Jonah, der nachdenklich durch den Raum sah. Nach einer Weile, die Ralph wie eine Stunde vorkam, erwiderte er schließlich: »Man kann sich nicht aussuchen, wen man liebt. Eines aber weiß ich: Meine Mutter hat Steve nie geliebt. Ich weiß nicht, warum sie ihn geheiratet hat, doch eines Tages habe ich gehört, wie sie zu Steve sagte: ›Ich habe dich geheiratet, weil du mich dazu gezwungen hast. Dich aber zu lieben, das kannst du nicht erzwingen.‹«
»Aha«, machte Ralph und sah dabei sehr nachdenklich aus.
»Ich finde es gut, dass Mutter einen Freund wie dich hat. Und wenn ihr eines Tages miteinander glücklich werdet, würde sich niemand mehr freuen als ich.«
»Du sprichst wie ein Erwachsener«, sagte Ralph. »Und dabei bist du erst sechzehn.«
Dann hob er noch einmal das Bierglas: »Auf dich, Jonah. Auf dich und auf unsere Träume. Mögen sie alle eines Tages in Erfüllung gehen.«
Im selben Augenblick kam Amber zurück an den Tisch. Sie sah etwas unsicher von einem zum anderen, doch als sie das Lächeln ihres Sohnes und ihres Freundes sah, ein Lächeln, das von Herzen kam, strahlte auch sie.
»Die Aufführung war zauberhaft«, schwärmte Amber, als sie Stunden später zu dritt die Oper verließen. »Es war die schönste Oper, die ich je gesehen habe. Ich habe schon einige Aufführungen im Fernsehen gesehen, doch ›Norma‹ in einem richtigen Opernhaus zu hören hat mich regelrecht überwältigt.«
Auch Jonah war sichtlich bewegt. Er hatte die meiste Zeit auf der Kante des Sessels gesessen und wie gebannt auf die Bühne geschaut. Auch jetzt sprühten seine dunklen Augen noch Funken.
Er umarmte Amber: »Danke, Mum, das war ein sehr, sehr schöner Tag. Danke für alles.«
Bevor er ins Taxi sprang, das Ralph für ihn gerufen hatte, umarmte er auch den Arzt. »Danke auch dir, Ralph.«
Lorenz klopfte dem Jungen auf die Schulter, rief: »Mach es gut, bis morgen, Junge«, dann fuhr das Taxi an, und Amber winkte so lange, bis es hinter der nächsten Straßenecke verschwunden war.
Ralph legte einen Arm um Ambers Schulter, sie umschlang seine Hüfte, und so gingen sie langsam und ohne zu sprechen zum Hotel zurück. Sie kamen an einem flachen Bau vorbei, aus dem laute Musik ertönte. Über dem Eingang war eine Neonschrift, die abwechselnd rot und blau aufflammte. »Dancehouse« stand dort. Amber blieb stehen und sah dem Treiben vor der Tür zu: »Sieh mal, Ralph. Hier können sowohl Schwarze als auch Weiße tanzen gehen. Hast du so etwas schon mal gesehen?«
Ralph lächelte. »Ja. Inzwischen gibt es auch in Adelaide ein Haus, in dem alle jungen Menschen Rock ’n’ Roll tanzen können.«
»Warum ist es in Tanunda nicht so? Kann es sein, dass es in den Städten weniger Rassismus gibt als bei uns in Barossa Valley? Warum ist das so, Ralph?«
Der Arzt zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht, Amber. Ich weiß nur, dass Jonah in Sydney viel besser aufgehoben ist als auf Carolina Cellar. Hier kann er wirklich frei sein. Hier kann er zeigen, wer und was er ist. Hier hat seine Hautfarbe nicht eine solche Bedeutung wie zu Hause.«
Amber nickte und seufzte tief befriedigt. »Ja, es ist gut, dass Jonah hier ist. Auch wenn ich ihn so oft
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