Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
sie, mich zu trösten.
» Ich verstehe das einfach nicht.« Ich war tief verletzt und musste mit den Tränen kämpfen. Ich wollte sie mir aus den Augen wischen, doch Ezra sah mich an, und es wäre nur noch offensichtlicher gewesen, dass ich weinte.
» Was verstehst du nicht, Liebes?«, fragte Mae sanft und strich eine Haarsträhne zurück, die mir ins Gesicht gefallen war.
» Warum er mich so hasst«, sagte ich mit erstickter Stimme.
» Er hasst dich nicht«, sagte Ezra. » Er wünscht sich nur, er täte es.«
Damit wollte er mich aufmuntern, doch ich verstand nicht, was daran tröstend sein sollte – im Gegenteil. Dass er sich wünschte, mich zu hassen, schien mir sogar noch schlimmer, denn es war seine freie Entscheidung.
» Ich muss auf die Toilette«, sagte ich. Ich konnte nicht länger gegen die Tränen ankämpfen und zog es vor, heimlich im Bad zu weinen. Mae nahm zögernd ihre Hände aus meinem Haar, und ich stand auf.
» Weißt du noch, wo es ist?«, fragte sie und wollte schon aufstehen, um mich zu begleiten, doch ich nickte rasch.
» Bin gleich wieder da.« Ich verließ den Raum so schnell wie möglich, bemühte mich aber, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich weinte.
Auf dem Weg zur Toilette kam ich an der Treppe vorbei und blieb abrupt stehen. Von oben hörte ich Peters Stimme, und ich versteckte mich unter der Treppe, um zu lauschen. Er war mit Jack in seinem Zimmer, und die beiden unterhielten sich. Peter klang nicht mehr so wütend wie noch eben im Wohnzimmer. Vielmehr hörte sich seine Stimme traurig an.
» Ich möchte ihr nicht wehtun«, sagte er kleinlaut, fast entschuldigend.
» Das tust du aber! Du hättest sehen sollen, wie viel Angst sie deinetwegen hatte, noch mal hierher zu kommen!«, entgegnete Jack umso wütender.
Ich zuckte vor Scham zusammen, als ich hörte, dass er Peter von meiner Angst erzählte, lauschte jedoch weiter.
» Vielleicht sollte sie dann einfach nicht wiederkommen.« Peter sagte das ganz rational und anscheinend nicht, weil er mich nicht mehr hierhaben wollte, sondern weil er dachte, dass es besser für mich sei, wenn ich nicht mehr kam.
» Du bist so ein Arschloch«, sagte Jack. » Ich mag sie, Ezra mag sie, und Mae ist völlig hin und weg von ihr. Ob du es willst oder nicht, sie wird noch oft hier sein. Ich weiß wirklich nicht, warum du dich dagegen so sträubst.«
» Keiner von euch kann das verstehen, okay!?« Peters Stimme war wieder schärfer geworden. » Ezra hat Mae, und du bist zu jung. Und für Mae wird ein Traum wahr. Sie wollte schon immer eine Tochter.«
» Hör zu, mir ist egal, was du sagst«, unterbrach ihn Jack wütend. » Sie wird hier sein, und du wirst dich einfach damit abfinden müssen – und zwar, ohne sie zu verletzen.«
» Du weißt genau, dass ich ihr nicht wehtun möchte.« Peter sprach nun so leise, dass ich ihn kaum noch verstehen konnte, doch seine Stimme verriet, dass er es ernst meinte. Er wollte mich nicht verletzen oder gar hassen. Doch warum tat er es dann?
» Ja, das weiß ich!«, sagte Jack. » Also hör auf damit!«
» Okay!«, lenkte Peter ein.
Die Unterhaltung schien zu Ende. Ich hörte Schritte, die sich der Treppe näherten, und eilte zur Toilette, um mich nicht beim Lauschen erwischen zu lassen. Zumindest war mir nun nicht mehr nach Heulen zumute, auch wenn ich nach dem Gespräch verwirrter war als zuvor.
Als ich vom Bad zurückkam, saßen Jack und Peter wieder im Wohnzimmer. Peter verhielt sich freundlich, aber distanziert. Jack spielte mit dem Hund und versuchte, jemanden für ein weiteres Videospiel zu gewinnen, während Ezra an unsere Unterhaltung von vorhin anknüpfte und wissen wollte, was meine Mutter von Beruf war, welche TV -Sendungen mir am besten gefielen und vieles mehr. Und Mae schien gar nicht mehr aufhören zu wollen, mit meinen Haaren zu spielen.
Es war schon nach elf, als Jack sagte, dass wir besser aufbrechen sollten. Trotz des Zwischenfalls mit Peter war der Abend überraschend schnell vergangen.
Sie begleiteten uns alle, einschließlich Matilda, zur Garagentür, was mich von Neuem beklommen machte. Sie schenkten mir so viel Aufmerksamkeit, dabei waren sie es doch, die viel gut aussehender und faszinierender waren, als ich es mir je erträumen konnte.
Mae drückte mich fest an ihre Brust und machte den Eindruck, als wolle sie mich am liebsten gar nicht mehr gehen lassen.
» Du wirst doch wiederkommen, nicht wahr?« Ihre Hände hielten noch immer meine Arme und drückten sie ein wenig
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