Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
wollte, was in der Nacht zuvor geschehen war. Mir war nicht danach, die Vampirgeschichte in SMS -Form zu erklären, und einem Telefonat fühlte ich mich noch nicht gewachsen. Deshalb ignorierte ich sie, obwohl sie natürlich eine Erklärung verdiente.
Schließlich schlief ich auf der Couch ein. Mae weckte mich kurz nach sechs Uhr morgens wieder auf und brachte mich nach Hause, wo ich duschen und mich für die Schule fertig machen konnte. Für die Beschleunigung der Blutbildung hatte sie mir Vitamine und Eisen verabreicht. Trotzdem fühlte ich mich matt und wusste nicht recht, wie ich den Tag überstehen sollte.
An diesem Morgen ging ich in einem nach der Augusthitze ungewohnt kühlen Nebel zur Bushaltestelle. Es kam mir fast unwirklich vor, den Schulweg allein zu gehen. Der Beginn des neuen Schuljahres markierte meine Rückkehr ins richtige Leben, doch Milo gehörte nicht mehr dazu.
Im Bus holte ich meinen iPod aus der Tasche, um Musik zu hören, doch mir fehlte der Bezug zur Musik. Ich hätte am liebsten geschlafen, aber zurück in unsere Wohnung wollte ich auch nicht. Ich fühlte mich dort nicht mehr zu Hause. Nichts stimmte mehr.
Die ersten Schulstunden erlebte ich wie in Trance. Dann stellte mich Jane im Treppenhaus. Da ich Ohrstöpsel trug und lautstark MGMT hörte, um mich wach zu halten, merkte ich nicht, dass sie hinter mir herrief.
Ich hatte gerade einen Treppenabsatz erreicht, als ihr Gesicht direkt vor mir auftauchte. Ihr Make-up war dicker aufgetragen als sonst, sodass es ihre Blässe und ihre Angst überdeckte. Ansonsten sah sie perfekt aus wie immer.
Jane riss mir die Stöpsel aus den Ohren. » Was zum Teufel ist eigentlich los? « , fauchte sie mich an.
Kapitel 23
» Was meinst du? « Ich versuchte mich dumm zu stellen, während an uns vorbei Schüler nach oben und unten strömten. Am liebsten hätte ich versucht, Jane zu entwischen, aber sie hatte mich bereits gegen die Wand gedrückt.
» Du weißt ganz genau, was ich meine. « Ihr Gesicht war so nah an meinem, dass ich das Red-Bull-Aroma in ihrem Atem und den Erdbeerlipgloss auf ihren Lippen riechen konnte.
» Ich will nicht hier darüber reden « , sagte ich vorsichtig. Einige Schüler waren schon auf uns aufmerksam geworden.
» Daran hättest du gestern Abend denken sollen, als du nicht auf meine Anrufe reagiert hast « , knurrte Jane.
» Ich habe an gar nichts gedacht. « Ich senkte den Blick, um nicht in ihre angsterfüllten Augen sehen zu müssen. » Ich habe gestern viel geschlafen. «
» Komm schon. « Sie packte mich bei der Hand und zog mich hinter sich her die Treppe hinunter.
» Was hast du vor? « , fragte ich, ohne mich zu wehren.
» Wir haben etwas zu bereden! «
Sie zerrte mich in das nächstgelegene Mädchen- WC , wo sie mich gegen die Wand schubste. Ich strauchelte und fiel, was ich meiner Schwäche zuschrieb. Eine Unterstufenschülerin, die sich gerade die Hände wusch, wurde von Jane mit einem derartig bösen Blick bedacht, dass sie umgehend das Weite suchte. Auf dem Weg nach draußen musste sie über mich drübersteigen.
Während ich mich aufrappelte, sah Jane nach, ob die WC -Kabinen leer waren. Dann blockierte sie die Tür mit ihrer schweren Büchertasche.
» Was zum Teufel ist eigentlich passiert, Alice? « Sie bückte sich und holte ihre Zigaretten aus der Tasche. Ich ging zum Waschtisch und stützte mich darauf ab. » Was waren das für Leute, die da hinter uns her waren? Und was zum Teufel hat dein Bruder mit mir gemacht? «
» Eine Frage nach der anderen, Jane. « Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und versuchte, das geisterhaft blasse Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenstarrte, zu ignorieren. Dann drehte ich mich um, nahm meine ganze Kraft zusammen und hievte mich auf den Waschtisch.
Draußen klingelte die Schulglocke. Die Pause war vorüber, und die nächste Stunde begann. Doch keine von uns machte Anstalten zu gehen.
Jane zündete sich eine Zigarette an. » Fang an, womit du willst. « Sie machte eine vage Geste mit der Hand.
» Das waren Vampire. «
Als sie an ihrer Zigarette zog, zitterte ihre Hand. Sie starrte den gelben Fliesenboden an und stieß den Rauch aus dem Mundwinkel wieder aus. Sie sah weder überrascht noch sonderlich blass aus. Ich war mir nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war.
Vielleicht hielt sie mich schlicht für durchgeknallt. Sie nahm einen weiteren Zug und bedeutete mir mit einem Wedeln der anderen Hand, weiterzureden.
» Ich kenne sie nicht besonders gut « ,
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