Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
Gewicht zog noch schneller nach unten als zuvor. Als ich die Kette zu straffen versuchte, war die Wucht so groß, dass meine Hand in den Flaschenzug gerissen wurde. Jack schrie auf. Der plötzliche Ruck, als die Kette zum Stillstand kam, musste ihm beinahe die Arme ausgerissen haben.
» Alice, hör mir zu. Du musst damit aufhören. Du kannst mich nicht hochziehen, und wenn du es weiter versuchst, wirst du am Ende deine Hand verlieren und mit mir in die Tiefe stürzen.«
» Ich kann dich retten«, widersprach ich ihm. » Vertrau mir.«
» Nein, du musst deine Hand befreien und dich in die Höhle zurückschwingen!«, sagte Jack. » Wir müssen doch nicht beide sterben.«
» Doch! Wenn du stirbst, sterbe ich auch! Du hast mich gebeten, die Ewigkeit mit dir zu verbringen, und das werde ich auch tun!«
Mit neuer Kraft gelang es mir, Jack ein wenig höher zu ziehen. Ich musste ihn nur hoch genug bekommen, damit er zum Felsen zurückschwingen konnte, und dazu fehlte nicht mehr viel. Peter kämpfte noch immer gegen Thomas und konnte mir nicht helfen. Also musste ich es alleine schaffen.
Und ich war auch schon ganz nah dran. Jacks Kopf war bereits über der Kante. Doch dann entglitt mir die Kette erneut. Und diesmal war es zu heftig. Meine Hand prallte gegen die Seilrolle und wurde zertrümmert. Und die Kette riss an meiner Haut.
Ich verlor Blut, was mich schwächte und die Kette immer rutschiger machte. Sosehr ich mich auch anstrengte, ich bekam sie nicht mehr in den Griff.
» Alice«, sagte Jack wieder. Ich zog weiter verzweifelt an der Kette, doch ich hatte keine Kraft mehr, und das Metall entglitt mir immer wieder. Und obwohl ich ihn keinen Zentimeter mehr höher brachte, probierte ich es verbissen weiter, bis mir Tränen in den Augen standen.
» Jack, ich liebe dich! Ich werde dich nicht aufgeben!« Ich hing kopfüber, die Füße gegen die Decke gestemmt und mein Handgelenk gegen die Seilrolle gequetscht, über ihm. Er sah mir in die Augen und begriff.
» Es tut mir leid, was ich dir neulich Nacht gesagt habe. Ich meinte es nicht so. Ich wollte dich nur beschützen«, sagte Jack mit tränenerstickter Stimme. » Ich war nicht einmal böse. Ich könnte dir alles verzeihen. Immer. Ich liebe dich. Mehr als alles andere in diesem und im nächsten Leben.«
Alles, was ich sah und sehen wollte, waren seine blauen Augen. Er blinzelte nicht – nicht einmal, als die Kette sich von meinem Handgelenk löste.
Kapitel 27
Ich schlu g hart auf dem Beton auf. Ich wäre lieber mit Jack in die Tiefe gestürzt, doch ich fiel genau im richtigen Winkel, um mit dem Rücken auf dem Höhlenboden zu landen. Ich starrte zu der Ziegelsteindecke hinauf und fühlte für einen Moment überhaupt nichts.
Ich hörte Peter stöhnen. Irgendwo in meinem Hinterkopf wusste ich, dass ich ihm helfen sollte, doch ich konnte mich nicht dazu aufraffen.
Mit dem letzten Rest meiner Willenskraft drehte ich schließlich den Kopf und sah Peter, der neben mir am Abgrund kauerte und mit den Händen die Kette umklammert hielt. Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was ich sah. Zug um Zug brachte er Jack nach oben und hievte ihn schließlich über die Kante.
» Jack!«, schrie ich und krabbelte zu ihm.
Seine Hände waren noch angekettet und sein Oberkörper mit Wunden übersät, als ich mich auf ihn stürzte und ihn mit Küssen bedeckte. Ich strich das Haar aus seiner Stirn und schluchzte.
» Ich liebe dich, ich liebe dich! Oh mein Gott, ich liebe dich!«, wiederholte ich immer und immer wieder.
Ich hatte ihn verloren geglaubt und küsste ihn nun mit all meiner Erleichterung und Dankbarkeit. Und er erwiderte meine Küsse mit derselben Leidenschaft. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und drückte ihn an mich, sog ihn in mich ein, schmeckte seine Lippen und lauschte dankbar dem Schlagen seines Herzens.
» Ich bin okay, Alice«, sagte er und sah mir lächelnd in die Augen.
» Es tut mir so leid für alles, was du wegen mir durchmachen musstest«, sagte ich. Tränen der Erleichterung strömten über meine Wangen. » Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Nie. Und ich hatte unrecht. Du bist alles, was ich brauche, um glücklich zu sein. Du bist alles, was ich jemals brauchen werde.«
» Ich bin nicht alles, was du brauchst, und ich möchte es auch gar nicht sein. Ich will dich nur lieben für den Rest meines Lebens, und solange du mir das erlaubst, ist alles gut.«
Ich wollte ihn erneut küssen, doch er wich aus.
» Ich sage das nur
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