Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
Grund dafür gab, zog ich es vor, ihm nicht zu sagen, worüber Bobby und ich gesprochen hatten. Er hätte sich nur Sorgen gemacht oder versucht, mich von meinem Vorhaben abzubringen.
Mir fehlte die Energie, darüber zu diskutieren, ob mein Vorhaben oder meine Rachegedanken richtig waren oder nicht. Ich wusste, was ich zu tun hatte, und ich würde mich von niemandem daran hindern lassen.
» Wir müssen an einen Insider herankommen, an jemanden, der Bescheid weiß«, sagte Bobby, als wir wieder allein waren. » Nur so finden wir heraus, was mit Jane wirklich passiert ist.«
» Was du nicht sagst, Schlaumeier«, erwiderte ich. » Das wäre schön, wenn wir …« Ich hatte meinen Satz noch nicht vollendet, als mir ein Gedanke kam. » Natürlich kennen wir jemanden!«
» Wen?«, fragte Bobby.
Ohne zu antworten, klappte ich den Laptop zu und sprang auf. Bobby folgte mir und konnte sich die Antwort wahrscheinlich schon denken, als wir den Gang entlang zum Arbeitszimmer liefen. Wir kannten Ezra.
» Du musst aufhören, Trübsal zu blasen«, sagte ich beim Eintreten und knipste das Licht an, ohne Ezras Antwort abzuwarten.
Ezra stand vor den großen Fenstern und sah auf den gefrorenen See hinaus. Als wir hereinkamen, drehte er sich um. Aus den Lautsprechern seines Computers schallte dieselbe klassische Musik, die er in den vergangenen Monaten so oft gehört hatte.
» Ich verstehe nicht, wie du dir das ständig anhören kannst«, sagte ich und ging zum Schreibtisch. Bevor ich Ezras iTunes schloss, las ich den Namen des Komponisten: Joseph Haydn. » Ich würde verrückt werden, wenn ich immer und immer wieder dasselbe Stück anhören würde.«
» Ich habe einmal einen Auftritt von ihm miterlebt«, sagte Ezra. » Als ich noch Willem, meinem Schöpfer, unterstand. Wir haben ihn in London gesehen, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, glaube ich. Es war sehr bewegend. Wahrscheinlich kannst du dir schwer vorstellen, was es bedeutete, ein solches Konzert zu einer Zeit zu sehen, als Musik noch etwas so Seltenes war.«
» Das wird nicht wieder der › Internet-ist-ein-Wunder-Vortrag‹, oder?«, fragte Bobby. Er war an Ezras Bücherregal gegangen und hatte eine alte Springspirale herausgenommen und spielte damit.
» Natürlich nicht. Ich möchte euch nicht langweilen«, sagte Ezra teilnahmslos und senkte den Blick, während Bobby von mir einen scharfen Blick erntete. Er reagierte darauf mit einem kleinlauten Schulterzucken und nahm auf dem Sofa Platz.
» Du musst aufhören, hier im Dunkeln herumzusitzen und Musik zu hören«, sagte ich, an seinen Schreibtisch gelehnt.
» Seid ihr gekommen, um mich aufzumuntern?« Ezra zog eine Augenbraue hoch und setzte sich neben mich in den Bürostuhl.
» Na ja … nein, was aber nicht heißt, dass du das nicht nötig hättest«, sagte ich.
» Was kann ich für euch tun?« Ezra lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ignorierte wie üblich meinen Rat.
» Was weißt du über die Polizei?«, fragte ich.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und sein Blick wanderte zwischen Bobby und mir hin und her. Zur Abwechslung hielt Bobby mal den Mund. Er schlug nur die Beine übereinander, um mit seinem Schnürsenkel zu spielen.
» Ich fürchte, du musst dich genauer ausdrücken«, sagte Ezra, wieder zu mir gewandt.
» Wie kommt es, dass du im November nicht verhört worden bist, nachdem der Lykan zugeschlagen hatte?«, fragte ich rundheraus und sah ihm dabei fest in seine dunklen Augen.
» Ich lebe schon sehr lange hier, und es empfiehlt sich, einen guten Draht zu den lokalen Verantwortlichen zu haben«, antwortete Ezra ruhig. » Aber falls du mich das fragst, weil du einen Strafzettel für zu schnelles Fahren loswerden willst, werde ich mich da nicht einmischen.«
» Nein. Das ist es nicht.« Ich kaute auf der Unterlippe und sah Hilfe suchend zu Bobby.
» Ah«, sagte Ezra wissend und drehte sich auf dem Bürostuhl hin und her. » Hier geht es um Jane.«
» Ja.« Ich nickte.
» Nichts, was du herausfinden kannst, wird sie zurückbringen oder dich trösten.« Wieder sah er zum See hinaus, den die Dunkelheit der Nacht schwarz erscheinen ließ. » Gegen den Tod gibt es leider kein Mittel, auch nicht für den Schmerz derer, die zurückgeblieben sind.«
» Vielleicht nicht«, sagte ich. » Aber da draußen läuft ein Mädchenmörder frei herum, und ich wäre wesentlich beruhigter, wenn er gefasst würde.«
» Und du glaubst, die Polizei weiß, wer es ist und hat sich nicht die Mühe gemacht, ihn
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