Unter dem Vampirmond 3 - Verlangen
Blick abzuwenden, und sah, dass Milo die Tränen in den Augen standen. Er sah plötzlich so jung und verängstigt aus. Er rückte näher an mich heran, und ich hätte ihn gern umarmt, fürchtete aber Gunnars Reaktion und hielt daher nur weiter Milos Hand.
»Es wird alles gut«, log ich und sah Milo in die Augen. »Zumindest ist es schnell gegangen. Ich bin mir sicher, er hat nicht gelitten.«
»Wahrscheinlich nicht«, gab Gunnar zu. »Aber es hätte auch anders laufen können. Stellan hatte es ein bisschen eilig. Er kann auch viel langsamer. Soll er es euch zeigen?«
»Nein!«, sagte ich zu schnell, und Gunnar lachte. Jack stellte sich schützend vor Milo und mich.
»Stellan!«, rief Gunnar, ohne ihn anzusehen.
Stellan sah von seiner Mahlzeit auf. Er stand auf und kam zu uns herüber. Mit dem Ärmel wischte er sich gedankenverloren über Gesicht und Brust, die blutverschmiert waren.
»Was willst du von uns?«, fragte Jack. Obwohl er nicht weniger Angst und Ekel verspürte als ich, klang er schon fast gelassen und zuversichtlich.
»Wie wäre es mit ... einem Spiel?«, fragte Gunnar grinsend.
Stellan, der die Leiche mitten auf dem Weg hatte liegen lassen wie einen halb gegessenen Apfel, stand nun neben Gunnar. Gunnars Blick richtete sich auf etwas, das sich hinter mir befand, doch als ich mich umdrehte, war es schon zu spät.
Ein riesenhafter Vampir hatte sich von hinten an uns herangeschlichen und schlang seine gigantischen nackten Arme um Milo. Mein Bruder keuchte überrascht und wehrte sich, doch es hatte überhaupt keinen Sinn. Ich hatte in meinem Leben noch niemanden gesehen, der so groß war, und dazu kam, dass er die Kraft eines Vampirs hatte. Dennoch zog ich an Milos Hand, die ich nicht losgelassen hatte, und versuchte, ihn dem Vampir zu entreißen.
»Alice!« Jack legte die Arme um mich, damit ich nicht mit Milo weggerissen wurde, doch ich klammerte mich an meinen Bruder.
»Alice! Lass ihn los! Alice!«
»Milo!«, schrie ich, doch seine Finger entglitten mir, und ich musste ihn gehen lassen.
Die Tränen strömten mir über die Wangen, denn Milo streckte noch die Hand nach mir aus. Seine großen braunen Augen waren noch nie so traurig und verängstigt gewesen. Ich trat nach Jack, doch er ließ mich nicht los.
»Alice, wie du siehst, tut mein guter Freund Bear ihm nicht weh«, sagte Gunnar.
Bear, der riesenhafte Vampir, hatte Milo im Klammergriff, schien ihm aber tatsächlich keine Schmerzen zuzufügen. Milo wand sich und schlug wild um sich, sah aber nicht aus, als litte er. Er war nur völlig verängstigt.
»Milo, so heißt du also, ja?«, fragte Gunnar. Statt eine Antwort zu geben, setzte sich Milo weiter zur Wehr. »Milo, hast du Schmerzen? Tut er dir weh?«
»Nein«, knurrte Milo und ergab sich Bears Griff. Er tat es mir zuliebe, damit ich aufhörte, mich gegen Jack zu wehren. Er sah mich an und nickte. »Mir geht es gut.«
Nun gab auch ich meine Gegenwehr auf. Jack ließ mich dennoch nicht los, und das war klug, denn ich wäre sofort zu Milo gestürzt.
»Lass ihn los!«, brüllte ich. »Er hat nichts mit all dem zu tun! Lass ihn gehen! Peter mag ihn nicht einmal!«
Das brachte Gunnar zum Lachen, obwohl ich nicht wusste, was daran so lustig war. Jack sagte nichts. Er wusste, dass Gunnar einen Plan hatte, und versuchte wohl, darauf zu kommen, was er vorhatte. Ich hingegen bekam meine Gefühle nicht in den Griff und konnte daher keinen klaren Gedanken fassen.
»Mhm, ja, das glaube ich, aber Peter wird nicht so bald hier eintreffen«, sagte Gunnar mit aufgesetztem Bedauern. »Also dachte ich, wir spielen ein kleines Spiel, bis er hier ist. Errätst du, welches?« Ich starrte ihn an. »Wir spielen Fangen - auf Vampirart. Das ist kein normales Fangspiel, denn wenn du jemanden fängst, musst du ihn umbringen. Da ihr das Spiel noch nicht kennt, fangen wir erst einmal einfach an und beginnen mit zwei Spielern. Wie wäre es mit ... dir« - er deutete auf Jane - »und dir« - er deutete auf mich. »Und du als Vampir bist der Fänger, Alice.«
»Nein! Ich habe dir schon gesagt, dass ich sie nicht beißen werde!«, brüllte ich ihn an.
»Aber du weißt ja nicht einmal, um welchen Preis du spielst«, sagte Gunnar und grinste mich breit an. »Dieser Milo da drüben. Wenn du gewinnst, bekommst du ihn zurück. Wenn du verlierst, kriegt ihn Stellan. Und wir wissen ja, wie gern er spielt.« Gunnar nickte zu der Leiche des Spaziergängers hin. »Aber da ich so großzügig bin, verspreche ich dir, dass
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