Unter dem Vampirmond 3 - Verlangen
verließ sich gern auf Maes Ratschlag, obwohl er in anderer Hinsicht selbstständiger war als ich.
Aber dann war Jane aufgetaucht, die wandelnde Barbiepuppe. Für sie gab es nur Jungs, Mode und den ständigen Wunsch nach Aufmerksamkeit - genau das, was Mae interessierte. Natürlich löste das nicht Maes Problem mit ihrer Urenkelin, aber zumindest hob es für eine Weile ihre Stimmung.
Mae wiederum konnte erheblich zu Janes Wohlbefinden beitragen. Dank ihrer Pflege hatte Jane sogar bereits ein wenig an Gewicht zugelegt, nicht viel, aber doch genug, dass sie nicht mehr magersüchtig aussah. Die Wunde an ihrem Hals war geheilt und hatte eine dicke Narbe hinterlassen. Nach einem Vampirbiss bleibt normalerweise nichts zurück, doch in diesem Fall war das Gewebe zu oft verletzt worden. Noch beschwerte sich Jane nicht darüber, doch eines Tages würde ihr Vater ihr wahrscheinlich eine Schönheitsoperation bezahlen müssen.
Ich kam mir vor wie auf einem anderen Stern, als sich die drei über Jungs und Kleider austauschten. Dass Mae und Jane gut miteinander auskamen, konnte ich nachvollziehen, doch nie hätte ich gedacht, dass Milo und Jane sich dermaßen amüsieren würden.
Dass Jane so viel Zeit mit Vampiren verbracht hatte, hatte den positiven Nebeneffekt, dass sie gegen die Verlockungen unserer Pheromone nahezu immun war. Sie drängte sich Milo, Jack oder Ezra nicht auf, was allerdings nicht für Peter galt, in den sie total verknallt war.
Ich ging ins Wohnzimmer, um dort zu warten, bis Jack sein Gespräch mit Ezra beendet hatte. Bobby saß mit gekreuzten Beinen mitten im Zimmer, ein Skizzenbuch auf dem Schoß, und starrte konzentriert auf den Fernseher. Abgesehen von Matilda war er der Erste, der den neuen Flachbildfernseher nutzte. Doch statt eines spannenden Actionfilms, der das Beste aus dem HD-Fernseher herausgeholt hätte, hatte Bobby den Nachrichtensender CNN eingeschaltet.
Ich nahm an, dass er einen auf intellektuell machen wollte. Er hatte eine schwarze Sonnenbrille aufgesetzt, mit der ich ihn noch nie gesehen hatte. Bei näherem Hinsehen merkte ich, dass er beim Kampf in der Disko ein hässliches blaues Auge davongetragen hatte, das er jetzt unter der modischen Sonnenbrille und den langen Ponyfransen zu verstecken versuchte. Am Kinn hatte er eine kleinere Schramme, doch die schlimmsten Wunden verbargen sich, wie ich wusste, unter seinem Hemd an Brust und Bauch.
Ich warf mich aufs Sofa. »Was guckst du da?« Ich war zwar nicht gerade scharf auf Nachrichten, aber das war immer noch besser als das alberne Geplapper im Esszimmer.
»Die Nachrichten«, erwiderte Bobby gedankenverloren. »Für die Schule.«
»Wie meinst du das, für die Schule?«, fragte ich. »Ich dachte, du gehst nicht mehr zur Schule.«
»Doch, am Tag, wenn ihr schlaft. Am Tag passiert alles Mögliche, von dem ihr nichts wisst«, sagte Bobby. Während er weiter auf den Fernseher starrte, zeichnete er etwas auf seinen Block. Neben ihm auf dem Boden lag eine Schachtel Kohlestifte. Da er die Ärmel hochgekrempelt hatte, waren seine tätowierten Arme schwarz verschmiert. »Ich soll eine Stunde Nachrichten schauen und währenddessen zeichnen und mir überlegen, was ich dabei empfinde.«
»Und? Was empfindest du?«, fragte ich.
»Ich habe das Gefühl, die Welt geht unter.«
Er wirkte nicht besonders niedergeschlagen. Ich beugte mich vor, um zu sehen, was er gezeichnet hatte, doch da ich hinter seiner Hand nichts erkennen konnte, ließ ich mich wieder ins Sofa sinken. Stattdessen sah ich mir im Fernsehen an, was Bobby so beunruhigte.
Der Bildschirm war in zwei Fenster geteilt. In dem kleineren erklärte der Auslandskorrespondent, was sich in dem großen Fenster abspielte. Dort war ein riesiges Schiff zu sehen, ein Tanker, der offenbar gegen eine Klippe gekracht war. Er hatte Schlagseite, und Hubschrauber und kleinere Schiffe schwärmten um den havarierten Koloss herum. Am unteren Rand des Bildschirms hieß es: »Cape Spear, Neufundland«.
»Was ist da passiert?«, fragte ich.
»Ein Tankerunglück in Kanada«, sagte Bobby. »Im Rumpf ist ein Loch, aber bisher ist kaum Öl ausgetreten. Die sagen, das ist ein Wunder, denn wenn das passiert wäre, dann wäre es eine schlimmere Katastrophe als damals bei der Exxon Valdez, weil der Tanker viel größer ist.«
»Da klingelt etwas, aber ich komm nicht drauf.«
»Das war ein Tankerunglück in Alaska im Jahr 1989.« Bobby sah mich von der Seite an. »Ich hätte es auch nicht auswendig gewusst. Sie
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