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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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die Hand in die offene Brust des Tiers und stellte erschrocken fest, daß das Hasenherz noch schlug. Rasch zog sie die Finger wieder heraus, malte dem Priester nach seinem Beispiel die drei Linien auf und lächelte ihn an. »Möge dieses Blut Euer Band mit der Mutter stärken, und mögen Eure Füße sich stets fest und sicher auf den Wegen des Heiligen Hains bewegen.«
    Ramu lächelte ebenfalls, weil er sich freute, daß ihr Bund mit der Mutter sich bereits so gefestigt hatte, griff dann in den Körper des Opfertiers und riß ihm mit einer einzigen geschickten Handbewegung das Herz heraus.
    »Mutter, mit dem Blut aus diesem Herzen wache über uns in dieser Nacht!« rief er in das stille Dunkel und schleuderte das zuckende Organ in den See. Kaum berührten Herz und Blut das Gewässer, da erstrahlte es in smaragdgrünem Leuchten, und die ganze Mutter verwandelte sich in eine Lichtschüssel. So wunderschön erschien Faraday nun die Nacht, daß sie den staunenden Blick gar nicht mehr davon abwenden wollte.
    Ramu warf den Hasenkadaver fort und legte der Edlen sanft eine Hand auf die Schulter. Seine Augen reflektierten das grüne Licht. »Sehet, die Mutter«, lächelte er.
    Faraday konnte noch immer nicht von dem traumschönen Anblick lassen. Der Smaragdsee beleuchtete die Berge ringsum, und selbst die Sterne warfen den Widerschein dieses Strahlens auf die Wasseroberfläche zurück. Macht und Stärke vibrierten in dem See und riefen nach der jungen Frau. Endlich wandte sie sich mit einer wortlosen Bitte an den Priester.
    »Ja«, flüsterte der Aware, »der Zeitpunkt ist gekommen, Euch der Mutter vorzustellen.« Er bückte sich und nahm Schra auf, dann hielt er Faraday die andere Hand hin. »Ergreift meine Linke und wandelt mit mir und dem Mädchen durch die Mutter und in den Heiligen Hain. Fühlt Euch willkommen.«
    Sie nahm seine warme Hand, und gemeinsam schritten sie ins Wasser.
    Timozel fühlte sich ein weiteres Mal in den Alptraum hineingezogen, kämpfte dagegen an und wehrte sich so heftig, daß er schon glaubte, das Herz müsse ihm zerspringen, doch das alles half ihm nichts. Diesmal zwang sich der Jüngling, die Augen offenzuhalten. Das unheimliche Wesen – zu einem Drittel Mensch, zu einem weiteren Vogel und zum dritten Raubtier – stand wieder vor ihm, überragte ihn um Haupteslänge und besaß mindestens das Fünffache seiner Muskelmasse. Macht strömte aus den silbernen Augen der Kreatur, und wieder streckte sie eine Hand (mehr eine Kralle) aus, um sich mit ihm zu verbinden. »Wollt Ihr mein Freund sein, Timozel?« fragte das Wesen fast flehentlich. Der Jüngling nahm allen Mut zusammen – oder besser das, was davon noch übriggeblieben war, und schrie: »Nein! Lieber würde ich in alle Ewigkeit in den Feuergruben des Nachlebens schmoren, als Euer Freund zu sein!« Das Ungeheuer brüllte vor Wut und streckte die Krallenhände nach Timozel aus.
    Als sie ins Wasser gelangten, spürte Faraday weder Nässe noch Kälte, sondern nur allumfassende, freundliche Macht. Alles um sie herum vibrierte, und sie fragte sich, ob es wohl angenehm wäre, sich vollkommen darein zu versenken. Ramus Finger schlossen sich fester um ihre Hand, aber sie lächelte ihn voller Zuversicht an und schritt furchtlos und froh neben ihm her. Schra streckte die runden Ärmchen nach dem grünen Wasser aus und jauchzte vor Vergnügen. Je tiefer sie in den See gelangten, desto höher stieg das Wasser an ihnen empor, bis es ihre Brust erreichte. Der Zauberer hielt die Kleine hoch genug, damit ihr Kopf immer noch über die Oberfläche ragte. »Folgt mir«, sagte er und tauchte unter. Faraday und das Mädchen taten es ihm nach.
    Sie spürte keinen Augenblick lang Sorge oder Furcht, als das Wasser sich über ihr schloß. Sie konnte auch hier unten immer noch mühelos atmen, und als der Boden unter ihren Füßen verschwand, vermochte sie immer weiter voranzuschreiten – das grüne Licht gab ihr ausreichend Halt. Verwundert blickte sie sich um. Ramu, Schra und sie waren vollständig von dem Leuchten eingehüllt, und vom Ufer oder dem Nachthimmel war nichts mehr zu sehen.
    Der Priester drehte ihr das Gesicht zu, und die drei Blutstreifen auf seiner Haut hoben sich dunkel vom hellen Schein ab. Faraday blickte geradeaus; immer tiefer schritten sie in das Licht hinein.
    Irgendwann merkte sie, daß das Leuchten sich wandelte. Schattige Stellen tauchten auf, während es andernorts heller glühte. Und dann hatte sie das Gefühl, wieder auf festem Boden zu

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