Unter dem Weltenbaum - 01
Schutzeid gebrochen, den er Faraday geschworen hatte. Die Kreatur raste vor Wut wie von Sinnen. »Hört mir gut zu, Ihr kriechendes Stück Dreck, hört meine Worte, und merkt sie Euch wohl: Werdet Ihr mir den Diensteid leisten, wenn Ihr von Eurem anderen Schwur entbunden seid? Nun?« Das Wesen drehte Timozels Kopf in einen so unnatürlichen Winkel, daß der Jüngling schon spürte, wie sein Rückgrat darunter zerbrach. Rote Flecke traten ihm vor die Augen. Und die übermenschliche Macht wuchs wieder in seinem Körper an. Sein Widerstand gegen das Ungeheuer erlahmte endgültig. »Ja, das schwöre ich Euch«, ächzte er und haßte sich dafür noch mehr als die Kreatur vor ihm. »Das schwöre ich Euch. Sobald ich von meinem gegenwärtigen Eid entbunden bin, werde ich Euch und keinem anderen mehr dienen.«
Gorgrael lächelte. Er wußte, daß er Timozel bekäme. Dann zeigte der Zerstörer auf einen Schatten. »Der Dunkle bezeugt dies, junger Mann. Euer Schwur bindet Euch an Gorgrael. Noch an dem Tag, da Ihr von dem anderen Eid befreit seid, werdet Ihr zu mir kommen.« Er hielt den Jüngling einige Augenblicke lang in seinem Griff und ließ ihn dann los.
Gorgrael wandte sich an die verhüllte Gestalt hinter sich. »Habt Ihr seine Füße auf den Traumpfad gelenkt, um mich zu finden?«
Das Lächeln unter der Kapuze war mehr zu spüren als zu sehen.
»Dann seid bedankt, seid zutiefst bedankt«, sagte der Zerstörer mit grollender Stimme.
Der Dunkle nickte anerkennend. »Alles beginnt gut, sehr gut sogar.«
»Werdet Ihr noch bleiben?« fragte Gorgrael.
»Nein. Ihr wißt doch, daß mich auch an anderen Orten Pflichten erwarten. Aber sorgt Euch nicht, die Dinge stehen bestens.«
Die verhüllte Gestalt verschwand.
Als sie im smaragdgrünen Licht wieder aufstiegen, verdichtete sich der Schein um sie herum, bis nur noch wenige Schritte sie vom Ufer trennten. Als die drei das Leuchten der Sterne am Nachthimmel erblickten, verdichtete das Schimmern sich zu Wasser, und sie brachen wenige Meter vor dem Strand hustend und würgend durch die Oberfläche des Farnbruchsees. Ramu und Faraday konnten gerade eben den Grund unter den Füßen spüren und mußten Schra ans Ufer tragen. Jack und Yr warteten schon besorgt mit Decken und wickelten die drei fest ein, um sie vor der Frostkälte der schwindenden Nacht zu schützen.
Als Faraday ihre Decke fester um sich zog, spürte sie, wie die Holzschale gegen ihren Körper gepreßt wurde.
Die drei schliefen bis weit in den Morgen hinein, und als sie aufgestanden waren, bereiteten sich Ramu und Schra sogleich auf die Rückreise nach Awarinheim vor.
Faraday verabschiedete sich von ihnen. »Paßt gut auf Euch auf. Und laßt Euch nicht von den Ebenenbewohnern aufgreifen.«
Der Priester lachte laut. »Wir reisen nur während der Nacht, und wenn es dunkel ist, können uns Menschen kaum sehen.«
»Beherzigt ihre Warnung, Ramu«, ermahnte ihn die Katzenfrau. »Die Axtschwinger treffen auf ihrem Weg nach Sigholt und Gorken innerhalb der nächsten Wochen in Smyrdon ein. Achtet darauf, daß Euer Weg den ihren nicht kreuzt.«
Am Nachmittag kehrten Faraday und die beiden Wächter zu ihrem Lager in der Schweineschlucht zurück und trafen tief in der Nacht dort ein. Alles wirkte noch so, wie sie es verlassen hatten. Das Maultier und die Schweine hielten sich ganz in der Nähe auf, und Timozel schlief tief und fest. Yr zog sich aus, schlüpfte zu ihm unter die Decke und hob den Zauber auf. »Morgen früh wird er wie immer aufwachen«, flüsterte sie. Jack und die Edle nickten und begaben sich zu ihren Ruheplätzen. Sie schliefen alle tief und fest, und nichts schien ihre Freude trüben zu können.
31 Smyrdon
Am ersten Tag des Frostmonds, fast drei Wochen nachdem sie die Farnberge umrundet hatten, ritt der Axtherr an der Spitze seines Heers in Smyrdon ein, einem der größten Dörfer von Skarabost.
Der Zug befand sich noch einigermaßen im Zeitplan, nach dem sie die Burg Gorken Anfang des Schneemonds erreichen wollten, aber sie hatten unterwegs deutlich an Zeit verloren. Vor allem in Skarabost waren die Axtschwinger nur mühsam vorangekommen. Immer wieder waren die Pferde in Schneewehen eingebrochen, und auch andere Verzögerungen hatten sich ergeben. Der direkte Weg von den Farnbergen nach Smyrdon hätte die Truppe unangenehm nahe an den Besitzungen des Grafen Isend vorbeigeführt, die im Süden der Provinz lagen. Axis wußte zwar, daß der Fürst sich immer noch in Karlon aufhielt, aber er hatte
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