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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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dennoch einer kleinen Stichelei nicht widerstehen konnte. »Eine dunkle Perücke und fleischfarbenes Make-up ? «
    » W ir wollen nicht gleich zu den höheren W eihen übergehen. Nein, bei deiner hellen Haut brauchst du im Prinzip gar keine S ch m ink e , aber selbstverständlich mußt du dir die Haare anders käm m e n.«
    Robert erwartete s ie m it einem s i chtlich erschöpft wirkenden Max Kern, einem Photographen und einem Reporter, dem er die »berüh m testen Schauspieler der Schweiz« vorstellte; die Mischung aus übertriebener E hrfurcht und besit z ergreifendem Kom m andoton, die er ihnen gegenüber anschlug, m achte C a rla sofort argwöhnisch. Er hatte die beiden nicht nur eingeladen, um seinem t heatralischen Ereignis Glanz zu verleihen; nein, da gab es außerdem noch etwas. Doch sie fand nicht die Zeit, um darüber zu s p ekulieren oder Robert direkt zu f r agen; alle Reise m üdigkeit v e r f l o g, als sie entdeckte, daß zu den A m ateuren, die sich erfolgreich um die Mitwirkung bei den »Festspielen« beworben hatten, auch Monika von Antwolfen zählte. Robert hatte ihr bereits die Rolle der O phelia zugesagt.
    Als sie das erfuhr, packte sie gerade ihre Sachen bei den Kerns aus, deren Haus außerdem noch das Hauptqua r ti e r f ür Robert d arst e llte, und Evi Kern befand sich i m Raum, also m ußte si e sich beherrschen. Robert allein abzupassen war ebe n falls so gut wie un m öglich; wenn er nicht gerade von den A m ateuren u m lagert wurde, m alte er an Teilen des Bühnenbilds, telefonierte m it m ysteriösen Quellen auf der Suche nach weiteren Möbeln, die ausgeliehen werden konnten, oder gab Interviews. Zu allem Überfluß lief ihr die Antwolfen auch noch leibhaftig über den W eg; sie begrüßten sich gegenseitig m it gebührender W är m e.
    »Ich wußte gar nicht, daß du dich für das Theater begeisterst«, sagte Carla und lieh sich Prossys Tonfall aus, wenn sie über Candida sprach. »Ist so etwas n i cht unter deiner W ürde ? «
    »Aber im Gegenteil, m e ine Liebe. Unsere Fa m ilie war den schönen Künsten schon im m er zugetan.«
    Genug war genug; sie griff sich Robert bei seinem neuesten Telefonat und zerrte ihn in die Abstellkammer, die derzeit völlig überfüllt war, ohne auf das betretene Feixen seines Anhangs zu achten.
    »Ich fasse es nicht! Die Antwolfen? Als Ophelia?!? W a s h ast du dir dabei gedacht?«
    »Unterhaltung«, entgegnete Robert und grinste. »Komm schon, Carla, du kannst nicht alle weiblichen Partien spielen, und w enn wir nicht ein paar Hauptrollen den Leuten geben, die für ihr D abeisein hier Gebühren an Max zahlen, dann reisen sie ab und lassen uns sitzen.«
    »Du Mistkerl.«
    Der Somm e r von Lubeldorf entwick e lte sich zu einem seltsa m en Zwischending aus Pfadfindertreff und Vorhölle. W egen der Hitze trugen sie bald alle Badekleidung beim Proben, was das Ganze weniger denn je wie eine professionelle Theaterveranstaltung aussehen ließ. Robert hatte als erstes Stück Das Phantom der Oper angeset z t, m it sich selbst als Phantom und R e gisseur, Carla als Christine und Jean-Pierre als Raoul. Monika von Antwolfen spielte Carlotta, die Diva, Christines Rivalin, und der Rest der Rollen ging ebenfalls an die A m ateure. Nicht, daß m an pro f e ssionelle Schauspieler gebraucht hätte; Robert hatte natürlich die einzig schwierige, aufsehenerregende Partie, und Carlas L aune verbesserte sich nicht dadurch, daß die Antwolfen noch nicht ein m al schlecht war. Aber täglich mit je m andem zus a m m enzuarbeiten, den sie bereits in der Schule nicht gemocht hatte, war nichts gegen das Terrorre g i m e, das Robert als Regisseur aus ü bte. Das Phanto m , das er spielte, war im Vergleich dazu ein ruhiger, zurückhalt e nder Charakter. Er genoß es sichtlich, jeder m ann B e fehle erteilen zu können, und er tat es oft in größter Lautstärke. Nicht, daß er nicht häufig recht hatte, a b er der Ton war unerträglich, und sch l ießlich ließ Carla die professionelle Haltung fahren und schrie zurück. Der Rest der L u beldorfer Mi m en lernte bald, ehrfürchtig zu schweigen und zu staunen, wenn sie sich in ein weiteres Wortgefecht stürzten.
    Dabei war Carla gar nicht das Hauptobjekt von Roberts Kritik. So respektv o ll er Jean- P ierre außer h a l b der Proben behandelte, so sehr hackte er, s owie sie a u f ihrer kleinen Freilic h tbühne in m itten des Schulsportplatzes standen, auf ihm heru m , auf eine so gezielte, boshafte W eise, daß Carla nicht lange

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