Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
atischen Instin kt en freien Lauf. Roberts C l audius war ein sinnliches, tyrannisches Monster, und das Vergnügen, das er und Carla daran hatten, Shakespeares Königspaar in zwei W edekindsche Trieb m enschen zu verwandeln, versöhnte sie nach dem Dauerstreit während der Phantom-Tage wieder m iteinander.
    Dies m al re a gie r ten d ie Kriti k er, da nk Jean- P ie r res Ha m let in noch größerer Zahl erschienen, gespalten.
    »Jean-Pierre Dupont gibt den Pri n zen in seiner edlen Tragik, doch diese hervorragende Darstellung entgeht leider der Mehrzahl des Publikums, das damit beschäftigt ist, Herrn König und Fräulein Fehr Pflaumen, Weintrauben und Zärtlichke i ten austauschen zu sehen. Ich weiß nicht, ob es Klaus Mann war, der vor zwei Jahren die Mode, uns kindliche Greise vorzuführen, begann, aber lassen Sie uns hoffen, daß dieses Spektakel sie beendet«, schrieb der Hamburger Kurier.
    »Die zweite Inszenierung bot neben einem ex z ellenten Hamlet von Jean-Pierre Dupont und einer zarten Ophelia (M. v. Ant w olfen) e i nen Ausflug in die Welt des Fil m s. R obert König, der Wunderknabe, dessen erstaunliche Laufbahn mittlerweile jedem Leser bekannt sein dürfte, spielte Erich von Stroheim, und die verwirrende Carla Fehr gab Brigitte Helm. Beide sind sehen s wert in diesen Rollen. Was sie aller d ings in H a m let zu suchen haben, bleibt mir ein Rätsel.«
    »Tja, m eine Lieben, da hat er nic h t u nrecht«, sa g t e Dieter zu ihnen.
    »Aber m acht euch n i chts draus. Derartige Kritiken bringen ein volles Haus, und ab und zu m u ß m an Kinder spielen lassen.«
    Carla b lieb reuelos. Sie hatte den Lubeldorf er Som m er von Anfang an nicht als ernsthaftes Eng a ge m ent gesehen, sondern als einen Gefallen, den sie Robert tat; warum nicht extravagant sein, bevor der Ernst des L ebens im Herbst wieder losging? Verwirrend, wie? E i gentlich ließ sich die Mondänität n o ch steigern. Also fragte sie Dieter, ob sich Gertru d e während i h rer Kam m erszene m it Ha m let die Haare bürsten könnte, oder besser, die glorreiche lange Perücke, die sie trug. Er verzog das Gesicht.
    »Alles hat seine Grenzen, auch das Übertreiben.«
    »Ich weiß. Sonst hätte ich gefra g t, ob ich m ir die Nägel lackieren darf.«
    Die Proben für den Volksfeind lie f en gleich z eitig m it den abendlichen Hamlet- Vorstellungen; nur noch e i n Drittel des »Festspiels« stand bevor, und das E hepaar Kern gestattete sich, vorsichtige Erleichterung zu fühlen. B i s jetzt w a r keiner der zahlenden Teilneh m er verschwunden, jeder unt e r h ielt sich prächtig, u nd vielleic h t ließen sich die Kosten wir k lich decken, auch wenn Evi Kern aus d e r Arbeit für das Ausrichten von Büffets und Getränken jeden Abend nicht m ehr herauska m . Tagsüber weigerte sie sich einfach zu ko c hen; die Teilneh m er der Lubeldorfer Theatert a ge lebten sehr gesund von Obst und einer Menge Brot, was dazu beitrug, die Pfadfinderatmosphäre aufrechtzuerhalten. Carla aß gerade einen Apfel, als eine der Kern-Töchter auf sie zugerannt kam und i h r ate m los berichtete, es sei ein sehr dringender Anruf von ihr entgegenzuneh m e n.
    Ihr Agent war der ei n zige, der ihr einfiel. A b er er h atte s o viele wichtigere Klienten als sie, daß es unwahrscheinlich erschien, es sei denn, etwas ganz und gar Außergewöhnliches hatte sich ereignet; nichts Negatives, denn das hätte er ihr brieflich m itgeteilt, sondern etwas Positives.
    » W e r is t e s? «
    »Deine Schwester.«
    Einen Moment lang erwog sie, sich verleugnen zu lassen. Dann stieg Neu g ier in ihr au f . W as wollte Ma r iann e ? Nach ihr e m letzten Gespräch h ä tte s ie d a ra u f gewettet, daß Marianne nie im Leben m ehr das W ort an sie ric h tete. Sie ging also nicht gerade schnell, aber doch steten Schrittes in das Haus der Kerns, wo ihr Evi Kern m it sehr ernstem G e sicht den T elefonhörer entgegenhielt. Er fühlte sich in ihrer vom Obstsaft klebrigen Hand wie eine Falle an, an der m an haften blieb.
    »Marianne?«
    »Carla… Carla, bist du das ? «
    Dum m e Frage, wollte sie sagen, a b er die S timme ihrer Sc hw ester klang so seltsam aus dem Apparat, dünn und gebrochen. »Ja, ich bin’s.«
    »Carla, bitte komm nach Münch e n. Mir… m ir geht es sehr schlecht. Bitte komm zu m i r.«
    Sie wußte nicht, wie s i e reagieren s o llte. Sarka s tisch, m it der Erinnerung daran, daß sie doch von Grund auf böse sei? Gerührt, weil ihre Schwe s ter, die einzige Bluts v erwandte, die

Weitere Kostenlose Bücher