Unter dem Zwillingsstern
telegraphieren, um m i ch zu vergewissern, daß es einigen Freunden von m i r gutgeht. In solchen Z eiten weiß m an nie«, sie m achte eine fahrige Geste, »ob es nicht zu Verwechslungen kom m t .«
Sie spürte kaum das Glas m it Gin Tonic, das Frances ihr in die Hand schob, und wollte sich gerade nach dem nächsten Posta m t erkundigen, als sie ein eigenartiges Gefühl hatte, so als stünde sie auf einem Teppich und je m and zöge ihn ihr unter den Füßen weg. Aber sie saß auf einem Stuhl, und der befand sich auf einem Holzboden. Das Gefühl kehrte zurück, von ein e r leichten Vibration begleitet.
»Ein Erdbeben«, stellte Nancy m it ihrer sachlichen, präzisen Stim m e f est.
Frances sprang auf und rannte z u r Tür. »Dick! Junior!«
Erdbeben gehörten in Novellen von Kleist, n i c ht in die W i rklichkeit, dachte Carla und stand eben f alls auf. Das seltsa m e Vibrieren verstärkte sich. Sie sc ha ute zur Tür, wo inzwischen die bei d en Jungen angerannt ka m en, doch zu ihrer Überraschung rührte sich Frances nicht von der Stelle, sondern ö f fnete nur ihre Ar m e und drückte sie an sich. »So blockiert sie d o ch den W eg nach draußen«, sagte Carla verwundert und m erkte erst danach, daß sie deutsch und laut gesprochen hatte. Zu ihrer Übe r raschung packte Nancy sie bei der Hand und zog sie zu der Verb i ndungstür ins nächste Zim m er.
»Bei einem Erdbeben«, k o m m entier t e sie dabei, immer noch gelassen, »stellt m an sich a m besten unter einen Türrah m en.«
Das Ru m oren verstärkte sich. Die Büste von Frances’ Sohn kippte u m , rollte ü ber das Klavier und zerschellte auf dem Boden, zusa mm en m it einigen anderen Tonfiguren, die in den Reg a len standen und herunterfielen. Nancy lehnte sich gegen den Türrah m en, do c h als der nächste Stoß k a m , verlor sie das Gleichgewicht und wurde gegen Carla geschleudert, die m it d e m Rücken zur a n deren Seite des Rah m ens stand. Sie hielten sich anein a nder fest, und C a rla spürte durch den dünnen Stoff von Nancys Bluse ihr Zittern, das so ganz im Gegensatz zu ihrem souv e ränen Äußeren stand. Um sie herum fielen Bücher und Bilder auf den Boden, und Carla hörte einen der Jungen weinen. Noch ein m al wurde das Beben heftiger, dann erstarb es.
In der plötzlichen Stille klang das Weinen des Jungen lauter, und m an hörte Frances leise beruhig e n d e W orte m u r m eln. Aus der Küche rief die Haushältern et w as auf spanisch. Nancy löste sich von Carla, der bewußt wurde, daß sie heftig t r anspirierte. Alle Kleidungsstücke klebten an ihrer Haut, als sei sie in ein Zim m er voller W asserda m pf gesperrt worden.
Verlegen fragte sie Nancy, die schon wieder völlig gelassen wirkte:
»Ist es vorbei ? «
»Ich denke schon. Das war ein lei c htes Beben, zum Glück, sonst hätten wir vom Meer verschlungen werden können.«
Sie sc h aute Carla nic h t an, als si e hinzusetzte: »So sind m eine Großeltern gestorben, in Japan. J a , das war ein leichtes Beben.«
Auf d e m Weg zu Carlas Hotel ste l lte sich heraus, daß Nancy sich geirrt hatte. Sie waren lediglich weit vom Zentrum des Beb e ns, Long Beach, ent f ernt; die P olizei- und Feuerlöschbrigaden, die dorthin unterwegs waren, die v i elen aufge r egten Menschen auf den Straßen und einige heruntergefallene Steine und Bretter von im Bau befindlichen Gebäuden m achten einen nor m alen Verkehr vollkom m en unmöglich. Carla sah, wie Nancy die Polizeiwagen beobachtete und sich auf die Lippe biß.
»Sie m achen sich sicher Sorgen, ob es Ihren« sie fand das richtige W ort f ür Angehörige als neut r alen Begri f f nicht »I h rer F a m ilie und Ihren Freunden gut geht«, äußerte sie behutsam. »Lassen Sie uns doch zuerst zu Ihnen nach Hause fahren, nicht zu m ir, schließlich wartet niemand auf m ich.«
Nancy warf ihr einen erstaunten Blick zu, und zum ersten Mal an diesem Tag lächelte sie. Auch ihre Stim m e veränderte sich; die höfliche Distanz sch m olz ein wenig zugunsten einer aufrichtigen Wä r m e.
»Danke, Miss Fehr. Ich m ache m i r in der Tat Sorgen.«
Während des langen W eges durch das Chaos hindurch nach Osten, den Beverly Boulevard entlang, sag t e Nancy plötzlich: »Ich könnte Ihr T e legr a mm vom Büro aus a uf g eben. Dieser Tage bekom m en wir ständig welche von Mr. K ohner aus Deutschland, da fällt eine Rückantwort m ehr oder weniger nicht auf.«
»Ich danke Ihnen, Miss Nak a m ura.«
»Nancy«, verbesserte sie die and e re
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