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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sie gekränkt hatten, so ließ s i e das nicht durchblicken. Ü ber sich selbst v erriet sie weni g ; als Frances ein m al m einte, sie sei überrascht, daß Universal überhaupt je m anden zu dem Begräbnis geschickt habe, erwiderte sie nur, sie habe einen Tag Urlaub genom m en, und beließ es dabei. Ü b er Carla w u ßte s i e jedoch bestens Bescheid, und das erweckte in C arla Neugier und Irritation zugleich, denn es verschaffte Nancy einen unbestreitbaren Vorteil ihr gegenüber.
    »Gibt es b e i Univ e r sal etwa e i n D ossier über m ich?« fra g te s ie schließlich direkt.
    »Selbstverständlich, Miss Fehr«, entgegnete Nancy, die beharrlich keine der beiden anderen Frauen m it Vorna m en ansprach, ruhig, »aber es hat beachtliche Lücken, zum Beispiel, was Ihre politische Einstellung angeht. Mr. Mintzer befürchtet, Sie könnten Kommunistin sein, während Mr. W aldorf m eint, d a ß Sie gewiß zu der Partei gehören, die gerade in Deutschland an die Macht gekommen ist.«
    Frances lachte. »Und, sind Sie e i nes von beiden, Carla? Wer hat recht, d ie Kröte oder d as W iesel?«
    Dieser Charakterisieru n g entnahm Carla, d aß es sich bei M r . M i ntzer um Arnie und bei Mr. W aldorf um Fred handelte. Nachd e m Frances den Hut m it dem dünnen S c hleier, den sie zur Beerdigung trug, abgelegt hatte, konnte m an die feinen Linien in ihrem Gesicht erkennen, besonders wenn sie, wie jetzt, lachte. Das Alter der beiden Kinder hatte Carla zunächst irregeführt, aber anhand der Geschichten über die frühen Jahre in Hollywood rechnete sie nach und kam zu dem Schluß, daß Frances m i ndestens v i erzig sein mußte, wahrscheinlich eher fünfundvierzig. Ihr dunkel b raunes Haar zeigte keine grauen Strähnen, was wohl hieß, daß sie es im Unterschied zu Genevieves deutlich künstlichem Platinblond sehr diskret nachgetönt hatte.
    »Keiner von beiden«, antwortete sie. »Ich nehme an, m an könnte m i ch als liberal bezeichnen.« Dann wandte Carla sich wieder an Nancy.
    » W ie kommen Mr. Mintzer und Mr. Waldorf darauf ? «
    »Mr. W aldorf rät einfach, und Mr. Mintzers V er m utung gründet sich darauf, daß Sie als Kommunistin gute Gründe hätten, derzeit auf keinen Fall nach Deutschland z u rü c kkehren zu wollen. Sc h lie ß lich würden Sie sofort verh af tet werden . «
    »Sofort verhaftet ? « wie d erholte Carla beunruhigt.
    »Aber Carla«, sagte Frances tade l nd, »selbst so ein apolitisches Wesen wie ich hat von dieser Ges c hichte m it Ihrem Parla m ent gehört. Sc h li e ßlich h at u n s L.B. die Ohren da m it vollgedröhnt, daß so etwas de m n ächst auch m it d e m C a pitol passieren kann, jetzt, wo sein Busenfreund Hoover nicht m ehr im Weißen Haus sitzt und Roosevelt Präsident ist, der den R a dikalen Tür und Tor öffnet.«
    Die enig m atische Nancy m einte, Mi s s Fehr habe ver m utlich wegen all der Rei s etage keinen Zugang zu deutschen N achrichten m ehr gehabt, und fügte hinzu, am 27. Februar sei der Reichstag in Brand gesteckt worden, von den Kommunisten, verlautbare die deutsche Regierung, die am 28. Februar m it einer präsidentiellen Verordnung zum »Schutz von Volk und Staat« sä m tliche Grundrechte außer Kraft gesetzt und m it Massenverhaftungen begonnen habe.
    »Noch einen Gin Tonic, Mrs. X«, rief Frances nach einem Blick auf Carlas erstarrte M i e n e.
    » W ieviel kostet ein Tel e gramm nach Deutschland ? «
    »Telegrap h ieren Sie lieber nicht«, riet Nancy. »Es ist sehr teuer und Universal…«
    »…zur Zeit nicht zahlungsfähig«, vollendete Frances. »Zu m i ndest nicht für neue Angestellte, das hat sich schon heru m gesprochen. W enigstens drücken sie nicht wie L . B. auf die Tränendrüsen, sondern rücken gleich m it der Wahrheit heraus.«
    Carla befahl sich, ruhig zu bleiben, und konzentrierte sich auf d i e Skulptur, die hinter Frances auf dem Klavier stand. Durchat m en und nur die Skulptur anschau e n, dachte sie. Es handelte sich um eine in Ton gebrannte Porträtbüste, der K o pf eines Kindes m it leicht geöffnetem Mund und einer Stupsnase. Einer der beiden Jungen, das erkannte sie nach einer Weile.
    »Darling, ich bin ja sehr gesch m e i chelt, daß Sie von m einem kleinen Opus da so fasziniert sind«, u n terbrach Frances ihren Versuch, sich zu einem ruhigen Zentrum in ihrem Inneren vorzuarbeiten, »aber Sie m achen m i r angst, wenn Sie so starr wie ein Ölgötze da sitzen. Sind Sie etwa doch…«
    Carla n ahm sich z u sam m en. »Nein. Ich m öchte nur

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