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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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und lächelte erneut. »Aber nicht v o r meiner Fa m ilie. Mein Vater ist Nisei, doch es f ällt ihm schon sch w er genug, meinen Beruf zu akzeptieren. Meinen a m erikanischen Na m en haßt er, obwohl er i hn m ir selbst gegeben hat. Also nennen Sie m ich bitte bei m ei n em japani s ch e n Na m en, wenn Sie m i ch in seiner Gegenwart ansprechen.«
    Es war eine subtile Art von Prü f ung. Einen Moment lang erinnerte sich Carla nicht m ehr, dann e r widerte sie: »In Ordnung, Reiko.«
    Inzwischen war es dunkel geworde n ; nur noch gelegentlich erhellten Neonschriftzeichen den W eg.
    » W as bedeutet Nisei ? «
    »Die erste in diesem Land geborene Generation. Ich bin Sansei, zweite Generation, wenn m an es von m einem V a ter her rechnet. Nisei von der Mutter her. Sie ist noch in Japan zur W elt gekom m en. Für die Amerikaner«, schloß Nancy, und die Verbitterung, die sie an Genevieves Grab kurz gezei g t hatte, kehrte zur ü ck, »gibt es solche Unterschie d e natü r lich nicht. Schli e ßlich sind wir hier ja alle gleich, nicht wahr?«
    Carla erwi d erte n ichts. Die Straße wurde etwas freier, und Nancy schaltete in den nächsthöheren Gang. »Tut m i r leid«, m u r m elte sie.
    »Ich bin wirklich glücklich, hier geboren zu sein und nicht in Japan, wo ich ganz bestim m t n i cht m ein eigenes Geld verdienen und behalten könnte, geschweige denn, m i r m einen Beruf aussuchen. Es ist nur… wie Miss Marion gesagt hat. Diese W oche war für u ns alle die Hölle.«
    »Können Sie m i r beibringen, Auto zu fahren ? « fragte Carla.
     
    Seltsa m , dachte Robert, jedes einzelne Mal, wenn er dieses Haus besucht hatte, war es gewesen, um Carla zu sehen, bis auf ihren Versöhnungversuch m it ihrer Schwester. Er hatte sich nie lange genug an der Tür auf g ehalten, um sie zu betrachten. Nun stellte er fest, daß sie einen der alt m odischen und m ittlerw e ile nutzlosen Türkl o pfer i m Maul eines Löwen besaß, der im G e gensatz zu den m eisten anderen seiner Art zu einer ko m pletten Fig u r ausgearbeitet worden war, einer Tiergestalt, die noch dazu auf einer runden Scheibe thronte, die wohl Sonne oder Erde darstellen sollte. D er bayerische Löwe oder einfach Fehrscher H och m ut?
    Der Majordo m us, der ihm öffnete, erkannte ihn wieder, ließ ihn ein und beschied ih m , Herr Bach m aier sei noch nicht eingetroffen, werde aber um diese Zeit zurückerwartet, und führte ihn in den kleinen Salon. Robert hatte in Erwägung gezogen, Philipp den Hai i n seinem Revier aufzusuchen, a b er in der Fabrik gab es zu viele C h ancen auf Ablenkung, zu viele Möglichkeiten, unterbrochen zu werden, im Gegensatz z u der Villa, wo sich nur die Dienstboten be f anden. Die Anwesenheit der jungen Frau, der er im kleinen Salon begegnete, kam für ihn völlig überraschend. Sie trug ein la n ges, goldenes Kleid, das ihn vor ein kleines Rätsel stellte, denn es sah teuer aus, doch es paßte ihr nicht ganz; an Schultern u nd Hüfte spannte es etwas. Ihr aschblondes, schulterlanges Haar, das ihr in den Nacken fiel, als sie sich auf die Zehenspitzen erhob, um nach einem Buch zu greifen, hatte einen vertrauten Schnitt. Der Majordo m us sprach sie m it »Gnädige Frau« an, sie drehte sich u m , und ein Hauch ihres Parfü m s wehte zu ih m , das er sofort er k annte. Je reviens. Natürlich. Mit einem sinkenden G efühl begriff Robert, was Philipp getan hatte.
    »Mein Mann wird bald zurücksein«, sagte sie zu Robert, nachd e m sie ihn begrüßt hatte und der Majordo m us verschwunden war, »er arbeitet zwar im m er la n ge, aber sc h lie ß lich«, sie läc h elte, » sind wir in den Flitterwochen.«
    Herzlichen Glückwunsch, Philipp, dachte Robert. W i rklich schnelle Arbeit. Ich gebe ja zu, m eine eigene Heir a t i s t vi e ll e i c ht auch durch einen abgelehnten Antrag b e schleunigt worden, aber wenigstens kannte ich Monika schon lan g e vorher. Und ich war nicht so dum m , zu versuchen, sie in C a rlas Ebenbild u m zumodeln.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte er laut. »Aber warum verbringen Sie Ihre Flitterwochen hier, Frau Bach m aier? Ist Venedig aus der Mode gekommen, seit München die Hauptstadt der Bewegung wurde ? «
    Sie kicherte, ein glucksendes, kindliches Kichern, was ihre ober f lächlic h e Ähnlichkeit m it Carla reduzierte. »Nein, aber Philipp m eint, es sei unsere Pflicht, diese ein m alige Epo c he in der Geschichte Deutschlands m itzuerleben.«
    Sie sagte das ohne Ironie, aufri c htig und gläubig, und Robert konnte

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