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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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in Zurückweisung, im Beharren und im Streit, doch ihr fehlte die Erfahrung im Akzeptieren eines solchen Geschenks.
    »Danke für Ihr Vertrauen, Mart i n«, sagte sie m ühsam beh e rrscht.
    » W enn Hitler gestü r zt ist, dann werden Sie Ihre Dia m anten wiederhaben und Ihre Praxis und alles, was Sie wollen. W i r werden im Hofgarten sitzen, Sie dürfen m i r a lle Geschichten über Robert erzählen, die Ihnen einfallen, und ich werde Ihnen in keinem Punkt widersprechen. Und danach gehe ich m it Ihnen zu einem fürchterlich dekadenten Faschingsball oder auf das Oktoberfest, je nach Jahreszeit, und Sie werden den ganzen Abend nur Cha m pagner trinken dürfen.«
    Ihre Fingerspitzen berührten sich über den Medika m enten.
    »Das werde ich tun«, antwortete Martin Goldmann leise, »und am nächsten Morgen, wenn wir bei d e die sc h limmsten Kopfsch m erzen unseres L ebens haben, werden wir versuchen, uns an die Zubereitung von Schalet zu erinnern, außerdem Weißwürste und Semm e ln besorgen und ein hinreißendes jüdisch-bayerisches K aterfrühstück zelebrieren.«
    »Ein Sieger m ahl«, sagte Käthe u n d lachte, um nicht zu weinen.
    »Über alle W i drigkeiten.«
    Der Kelln e r brachte den W eißwe i n, den Dr. Gold m ann best e llt h atte, und goß ihn schwungvoll ein. E r verschwendete keine Zeit da m it, einem der beiden erst eine Probe anzubieten. Mittl e rweile hatte e r genügend Erfahrung m it ihresgleichen, um nicht zu erkennen, daß sie zu der immer größer w erdenden Schar deutscher E m igranten gehörten, denen m an den Spitzna m en »die cheznous« verpaßt h atte. Für gewöhnlich war das der erste Satz, den m an von ihnen hörte: »Bei uns war alles besser.« Und dann versuchten sie, Kredit aufzuneh m en, weil sie nicht beza h len konnten. Die s e bei d en beschwerten sich allerdings nicht, sie stürzten sich sofort auf den Wein, hoben die Gläser und stießen an. Dank seiner elsässischen Mutter sprach er genügend Deutsch, um ihre W orte zu verstehe n , ehe er sich abwandte u nd zum nächsten T i sch ging, um eine neue B estellung aufzuneh m en.
    »Auf den S i eg«, sagte der Mann und schaute zu seiner Begleiterin m it d e m abgetragenen, alt m odisch e n Kleid und der strengen Frisur, als habe er eine hübsche junge Gri s ette vor sich, »über alle W i drigkeiten.«
     
    Das Kantinengespräch bei Universal drehte sich hauptsächlich u m zwei The m e n; das Gerücht über einen m öglichen Verkauf des Studios und die neue Schauspielergewer k schaft. Kaum je m and redete über etwas anderes; d i e Le ut e an dem Tisch, an dem Carla saß, bildeten keine Ausnah m e. Er unterschied sich allerdings durch die Lage und die Tischgäste von den m eisten anderen. Im ve r gangenen Jahr wäre ihr dieser T eil d er Ka n tine, d ie k leine E m pore, wo m ehr als ei n e Haupt m ahlzeit zur Auswahl stand, versperrt geblieben, und auch heute verdankte sie die etwas gepflegtere Verköstigung einer Einladung, nicht ihrem eigenen Status. Nach einem J ahr erfolgreicher serials und zwei winzigen Nebenrollen in Spiel f il m en hatte sie zwar endlich eine Hauptrolle ergattert, a b er der Fil m , den sie gerade drehte, gehörte nicht gerade zu den Prestigeobjekten von Universal. Es handelte sich um den Versuch, den Erfolg der Mumie von 1932 zu wiederholen, dies m al m it einer weiblichen wandelnden Untoten. Man hatte i h r den urs p r ü nglichen F i lm gezeigt, u nd das Dre h buch zu Sie kehrt z u rück s tellte weniger ei n e Fort s etzu n g als ei n en W iederaufguß dar, m it der Prinzessin Nefertiri anstelle des Hohepriesters I m -Ho-Tep. Dennoch wäre es natürlich töricht gewesen, die Rolle abzulehnen. Allerdin g s war sie et w as peinlich berührt, als der Star der Mumie, Boris Karloff, in der ersten Dreh w oche am Set von Sie kehrt z u rück aufkreuzte; es war etwa so, als besuche Max R einhardt eine P r ovinzaufführung des Sommernachtstrau m s. Karlo f f h a tte es in
    der Mumie geschafft, an keiner Stelle ins Melodra m a abzugleiten und aus seiner lebendig werdenden Mu m i e eine tragische F i gur zu m achen, die dem ro m antischen jungen Helden des Fil m s m ühelos die Schau stahl. Sie konnte sehen, war u m Genevieve beeindruckt gewesen war und diesen Film als eines der Vorbilder für Carmilla genannt hatte. Dagegen konnte selbst die M i twirkung des besten Maskenbildners von Universal, Jack Pierce, der auch Karloff in Frankensteins Geschöpf und in die Mu m ie verwandelt hatte, nichts daran ändern, daß

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