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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hilfreich. Sie hatte ein gutes Gedächtnis und ein T alent dafür, sich zu m e r ken, wer in der Szene, die im Drehbuch un m ittelbar an s c h l oß, aber zwei Tage früher gedreht worden war, aus welcher Richtung gekommen war. Außerdem fand sich im m er j e m and von den T e chnikern, Schauspielern oder Statisten, der sich um M a rtina kümmerte. Das Kind wurde zum Maskottchen des Fil m s, was Monika z u m ersten Mal seit der Geburt einige freie Zeit verschaffte, und das wiederum wirkte W under auf ihr Toleranzvermögen anderen Menschen gegenüber. Robert wußte, daß sie m ehrere unter den Her m iaden nicht ausstehen konnte, doch sie ließ es sich nicht an m e rken und begegnete ihnen nicht m it der gewohnten kühlen Distanziertheit, sondern zeigte sich regelrecht u m gänglich. Und sie verzichtete auf jeden Kom m entar über die Beschäftigung von Hel m ut und Astrid.
    Für ihn selbst stellte das Drehen von Irrungen, Wirrungen m anc hm al das Auge des Hurrikans und in jedem Fall eine weitere Stufe des Drahtseila kt es dar, zu de m sein Leben geworden war. Dies m a l spi e lte er nicht selbst m it, sondern beschränkte sich auf das Regieführen, obwohl er die Stim m e des Erzählers sprechen würde. Eine literarische Vorla g e und deren Verarbeitung zu e i nem Drehbuch durch je m and anderen vorzufinden war nicht die beste Voraussetzung, aber sich fre m de Texte anzueignen und u m zuarrangieren, bis sie die Geschic h te erzählten, d i e er erzählen wollte, war schon immer sei n e Stärke gewesen. Das Problem lag anderswo.
    Für einen Konzern wie die UFA zu arbeiten h ä tte in jedem Fall weitaus we n iger F reih e it als sein Tr a u m vertrag b ei Ast o ria b edeut e t, selbst wenn m an i mmer noch das J a hr 1932 schreiben würde. Unter den gegebenen U m ständen kam noch einiges m ehr hinzu. Er m ußte die Billigung seiner Drehbuch f assung durch den neuernannten Reichsfil m dra m aturgen abwarten. E r m ußte einige Szenen u m schreiben, da m it Botho etwas öfter in sei n er Uniform zu sehen w ar, unter anderem auf einer Parade, die weder Fontane noch einem der Drehbuchautoren in den Sinn gekom m e n war. Das Projekt grundsätzlich zu erklären und zu rechtfertigen, w a rum eine unglückliche L i ebesgeschic h te in einer er s tarrten, sterbenden preußischen W elt überhaupt verfil m t werden m ußte, hatte er ebenfalls geschafft, und das m achte Übungen in dem neuen Jargon und zahlreiche Beschwörungen des »nationalen Erbes« und des »deuts c hen Schrifttu m s« nötig. Die Anstrengung, derartige Floskeln zu verwenden, verblaßte allerdings vor dem K a m p f um die Besetzung.
    Er hätte am liebsten H ugo als Botho gehabt, doch Hugo befand sich in Österreich, und Robert wollte nicht die Verantwortung für einen weiteren Menschen übernehmen, indem e r ihn einlud, zurückzukehren. D en Vorschlag seiner P roduzenten zu akzeptieren und statt dessen den neuen Publiku m sliebling Hans Albers zu be s etzen fiel ihm also nicht weiter schwer. Er kannte Albers nicht und hielt ihn nicht unbedingt für den geeigneten Typ, doch der Mann galt als u m gänglich und zeigte vor allem eine e r stau n lic h e Bereitschaft, sich der Autorität eines jün g er e n Kollegen unterzuordnen. Nein, die Schwierigkeiten begannen m it Hel m ut als Gideon.
    »Das ist gegen das Gesetz, und Sie wissen es. Man hat Juden vielleicht noch im letzten Jahr besetzen können, oder in bereits laufenden Projekten behalten, aber dies i s t ein neuer Fil m , und die Bestimmungen des Ministeriu m s sind da ganz eindeutig. Außerdem heiratet Gideon am S c hluß Lene. Man würde uns vorwerfen, Rassenschande zu propagieren!«
    Auf He l m u t s jahrelange Erfolge in Charakt e r r ollen h i nz u weisen brachte nicht viel. Dann legte R obert die Karte auf den Tisch, von der er gehofft hatte, sie nicht auss p ielen zu m üssen. »Herr Holpert i s t kein Jude.«
    »Aber natürlich ist er…«
    »Sein angeblicher Vater ist Jude, seine Mutter Arierin«, sagte Robert unbeirrt. »Und sein wahrer Vater ist eben f alls Arier. Das Verfahren läuft bereits.«
    Hel m ut davon zu überzeugen, seine Mutter zu bewegen, ihn für ein uneheliches Kind und das Produkt eines Seitensprungs zu erklären, war das Unangeneh m ste, was Robert je getan hatte. Er h ätte n i cht geglaubt, daß es nach seiner Zurückweisung seines sich zu Tode trinkenden Vaters noch eine S t eigerung gab, doch die Sache m it Hel m ut war schlim m er, auch weil er sich dies m a l nicht sagen

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