Unter dem Zwillingsstern
ihm das Drehb u ch sc h ickte, er trank weniger, er rei s te nach China, um Drehorte und Darsteller ausfindig zu m achen. Und dann ging alles schie f . Die Chinesen t e ilten ihm m it, daß er kei n e Szenen mit gebunde n en Füßen, Bettlern oder Ar m ut, gleich welcher Art, fil m en dü r fe, und das m a cht etwa z w ei Drittel des Inhalts un m öglich. Als Irving d a s hörte, entschied er, daß in Kali f ornien ge f il m t werden würde. George war nicht glücklich darüber, aber er verstand es. Er fing erst wieder zu tri n ken an, als er in de n Studio News las, daß keine Chinesen für die Rollen in Frage kä m en und Irving bereits Helen Mencken für die Hauptrolle in E r wägung zog, alles, ohne ihn darüber zu infor m ieren. Das brach ihm das Herz. Das Buch ist sein Liebli n gsro m an, d e swegen hatte ich m it der ganzen Sache über h aupt an g efangen; er w o llte einen wirklich a u thentisc h en Film drehen. Und heute, heute kam er zu einer Diskussion über die Vorproduktion zu spät, volltrunken, kündigte und riß sein N a m ensschild von der Tür seines Büros. Das ist sein Ende bei M G M. Irving würde ihm vielleic h t verzei h en, aber L.B. niemals. Carla, ist Ihnen schon ein m al der Versuch, je m andem zu helfen, so gründlich m i ßlungen ? «
»Nein. Bei m einer Schwester vielleicht. Jedes m al, wenn ich ihr helfen wollte, endete es da m it, daß ich sie so se hr verlet z te, wie ich nur konnte«, antwortete Carla und dachte nicht nur an Marianne, sondern auch an Nancy.
Um sich über ihre eigenen Gefühle klar zu werden, war sie Nancy in der Zeit zwischen dem Ende von Sie kehrt z u rück und dem Beginn der Drehar b eiten an Rappaccinis Tochter aus dem W eg gegangen; danach sorgte die Arbeit am Set ohnehin dafür, daß sie sich selten sahen. Das Ergebnis war, daß Nancy sich wie d er in d i e di s t anzierte Zurückhalt u ng hüllte, die sie zu Beginn ihr e r Bekanntsc h a f t an den Tag gelegt hatte, und das tat unerwartet weh, ganz abgesehen davon, daß es ihr Sorgen m achte. Aber sie wußte nicht, wie sie diesen Zustand beenden sollte. Es gab natü r lich eine offensichtliche Möglichkeit, doch C arla scheute noch im m er davor zurück. Sie wünschte, sie könnte m it Robert darüber reden. Keine ihrer hiesigen Freundschaften ging so tief, daß sie ein dera r ti g es Vertra ue n recht f e r ti g te, ganz abgesehen davon, daß die Le u t e ver m utlich schockiert reagieren würden, weil Nancy eine Frau war. Sei ehrlich, dachte C arla. Ein Teil von dir ist auch schockiert. W e nn Nancy ein Mann wäre, hättest du es wohl an jenem Morgen nic h t bei diesem einen Kuß belassen. Robert lebte seine Phantasien m it einer beneidenswerten Unbekü mm ertheit au s , doch sie h atte tr o t z a ll der Flirts und Zweideutigkeiten, die sie tagaus, tagein begleiteten, nur Erfahrung m it einem einzigen Mann. Alles andere wußte sie nur aus zweiter Hand. Sie konnte sich nicht v o rstellen, m it Nancy auf die g l eic h e Art zusam m enzusein wie m it Philipp; sie hatte Angst davor, N ancy zu verletzen.
Aber Robert war nicht hier, und s i e hatte schon lange keinen Brief m ehr von i h m erhalten, weder über die Schweiz noch direkt aus Deutschland. In dem letzten Sch r eiben ging es noch hauptsächlich um die Ar b eit an Irru n gen, Wirru n gen und Helmut Holpert. Der ar m e He l m ut. Sie hatte auch ihm g e schrieben, ihm angeboten, sich wegen eines a m erikani s chen Visums für ihn einzusetzen, da m it er sein Glück hier versuchen konnte und diese Demütigung mit dem Prozeß nic h t auf sich n eh m en m ußte, doch er hatte abgelehnt, was ver m utlich r ealistisch war. Ein m al m ehr krochen Schuldg ef ühle in ihr hoch. In Sicherheit zu leben, während Menschen, die ihr etwas bedeuteten, in ständiger Gefahr schwebten…
Zu m indest war es Kathi gelung e n, etwas Besseres als die Hungerlöhne ihrer illegalen Arbeitsverhältnisse zu finden. Eine Begegnung in der Redaktion der G azet t e m it L ion Feuchtwanger, der durch sein eigenes Exil seine langjährige Sekretärin verloren hatte, hatte zu einer festen A nstellung geführt. J e tzt lebte Kathi m it den Feuchtwangers in Sanary und hatte es gewagt, offiziell eine Kennkarte zu beantragen.
»Tja, Blutsverwandte«, sagte Frances, was sich auf Carlas letzte B e m erkung bezog, und riß die junge Frau aus ihren Gedanken. »Da läuft gewöhnlich ohnehin alles schief. Glauben Sie m i r, Freunde sind besser. Freunde kann man sich aussuchen, Verwandte nicht.
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