Unter dem Zwillingsstern
Haben Sie je g u te E rfahrungen m it Ihren Fa m ilienangehörigen ge m acht ? «
Carla fuhr m it d e m F i nger am R a nd des Tennisschlägers entlang, den sie neben sich gelegt hatte, als sie und Frances sich in den Schatten set z ten. »Nicht wir k lich, ab e r i c h hatte nicht sehr viele. Manch m al denke ich, ich h ä tte gern ei n e g roße Fa m ilie gehabt, m it Onkeln, Tanten, Cousins und so weiter.« Die m ich anerkennen, set z te s ie schweigend hinzu; sie beabsichti g te nicht, Frances von ihrer ungeklärten Herkunft zu erzählen.
»Glauben Sie m ir, Honey, Sie haben nichts verpaßt. Ich hatte m al eine fürc h t erliche Erfa h r ung in m einer Großfa m ilie. Tante Dotty war ja schon i mm er etwas schrill und eigen, aber wir ka m en eigentlich ganz gut miteinander aus. Onkel O ssie hielt ich immer für eine Seele von Mensch, wenn auch für träge. Und ihre Söhne waren m eine Lieblingscousins. Ich dachte, wir stünden uns sehr nahe. Dann stirbt m eine Großmutter, Friede ihrer S e ele, im hohen Alter, und Onkel Ossie m utiert von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde. Buchstäblich. Er hat sich jahr e l ang be i i h r nicht bl icken l a sse n , m üssen Sie wissen, weil Dotty behauptete, die alte Da m e habe e i n m al ihren Geburtstag vergessen, aber das schoben wir alle auf seine Trägheit und Dotty. W e it gefehlt. Kaum erfährt er von Grannys Tod, da bo m bardiert er m einen alten Herrn m it Telegram m en, in denen er droht, ihn ›am Grab seiner Mutter‹ niederzuschlagen. W i rklich, er hat diesen Satz gebraucht. Früher dachte ich, der kom m e nur in Kitschro m anen vor.«
»Und weshalb ? « erkundigte sich Carla, dankbar f ür die Ablenkung.
» W egen des Tags, den Daddy und seine Schwestern für die Beerdigung ausgesucht hatten. Er paßte ihm aus mysteriösen Gründen nicht. W arum, hat sich erst später herausgestellt e i ner seiner Söhne sollte an dem Tag einen Ball beim Gouverneur besuchen. Davon sagte Ossie natü r lich n i c hts; s tatt de s sen polt e rte er, m ein Vater würde sich d ie Rolle des Fa m ilienoberhaupts an m aßen, die ihm zuste h e. Und das war erst der A nfang. Natü r lich schlug er Daddy bei der Beerdigung nicht nieder, aber hinterher gab es Schi m pfkanonaden auf Dad, Mum und Tante Inga. Und Dotty ließ zu allem Überfluß noch eine auf die ar m e Granny los. In der nächsten W oche stellte sich dann der eigentliche Grund für das ganze Theater und die Flut von Briefen, die noch folgte, heraus. Dotty und Ossie m achten sich Sorgen u m s Erbe. Tante Inga hatte gerade eine Operation, aber das hinderte Onkel Ossie und G e m ahlin nicht, sie bis ins Krankenhaus zu verfolgen, um weitere Verwüns c hungen loszuwerden. Aber wissen Sie, wer m i ch in der ganzen Angel e genheit am m eisten verletzt hat? Meine Cousins. Daß Dotty endgültig zum Gift z w erg wurde, war zu erwarten gewesen, Ossies Hyde-Verwandlung kam zwar aus heiterem H i mmel, aber gut, m an hat schon m al gehört, daß ein Mann zum Psychopathen wird. Nur daß die Jungs zu all dem ja und a m en sagten… Das Schlim m ste ist, ich ver m isse sie. W ir hatten so vieles ge m eins a m … Vorbei. Nein, glauben S i e m i r, ohne Fa m ilie si n d Sie bei weitem besser dran.«
Als sie sich voneinander verabschiedeten, war Frances im m er noch sehr niedergeschlagen und m einte, Carlas Einladung zur Party wahrscheinlich nicht annehmen zu können. »Ich weiß, es i s t Ihre erste, Kindchen, aber heute abend ist m i r nicht nach Feiern.«
»Das verstehe ich. Trotzde m , Sie sind im m er wi l l kom m en.«
Am vorigen W ochenende war Carla in ihr neues Haus gezogen, und da sie in dieser W o che zwei d r ehfreie Tage hatte, hielt sie den Zeitpunkt zu einer kleinen Einstandsfeier für angebracht. Außerdem wollte sie sich auf die s e W eise bei einer ganz e n Reihe von Leuten bedanken. N ach dem abgebrochenen Tennisspiel hatte sie noch etwas Zeit für sich, doch sie hatte schon l a nge nicht m ehr die G a stgeberin gespielt, und noch nie in ihren eig e nen vier W änden. Sie fuhr direkt nach Hause, duschte, zog sich um und lief durch den Bungalow, um sicherzugehen, daß alles a m richtigen Ort war, und weil es ihr Freude bereitete, jeden Zenti m eter abzus c hreiten, der ihr gehörte. Getränke und Speisen waren bereits vorbereitet, und sie dankte Gott für die gesegnete a m erikanische Erfindung des Kühlschranks. Gerade zählte sie die Teller nach, die sie sich von Mrs. Nakamura ausgeborgt hatte, als ihr je m and von hinten auf die
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