Unter dem Zwillingsstern
nahe an einen W unschtraum heran. Aber die W i rklichkeit, hier und heute, sah anders aus. Zunächst ein m al war er, wie m an es auch dre h te u nd wendete, Roberts Angestellter, was all m ählich auf eine Erosion des bißchens A utorität, die er noch über Robert hatte, hinauslief. W enn Robert manch m al, wenn er m i t einem Projekt unter Zeitdruck stand, wochenlang überhaupt nicht schlief, sondern de facto vierundzwanzig Stunden am Tag arbeitete, war das schon besor g niserregend genug, aber er brachte dieses Kunststück n ur m it Hil f e ein e r Rei h e Au f putschtabl e tt e n fertig und verlangte außerde m , daß Dr. Gold m ann sie den anderen Mitarbeitern ebenfalls zur Verfügung stellte.
»Dada, laß es m i ch so ausdrücke n . W ir haben nicht viel Z eit, ich will diesen Film endlich zu Ende bringen, und wenn ich nicht außerdem noch j e den Abend den Maler Schwedrin in Lachende Lotte s p iele, geht m ir das Geld aus, und ich bin wegen Vertragsbruchs dran. Und dann können du, ich, Monika, Martina und ein großer Teil der Her m iaden ausprobieren, wie unser g e lie b t e r Führer zu Bettlern steht. Also gib m i r das Zeug.«
»Ich habe noch einige Erspa r nisse«, begann Dr. Gold m a nn zögernd, nur um sich einen W utausbruch einzuhandeln.
»Um H i mmels willen, Dada, du glaubst doch nicht, daß ich unter diesen U m ständen Geld von dir anneh m e!«
Monika stellte ein Pro b lem für sich dar. Dr. Gold m ann hätte blind und taub sein m üssen, um nicht zu be m erken, d a ß etwas zwischen ihr und Robert ganz und gar nicht sti mm t e. Angesichts der Scheidung, die er selbst hinter sich hatte, und seiner diversen Beziehungen kannte er sich in unglücklichen Ehen a u s. Seine Freunde hatten ihn im m er wegen seiner Vorliebe für Dre i ecksbeziehungen geneckt und vorgeschlagen, er solle sich doch gle i ch bei Ehepaaren einquartieren. Der Scherz erschien jetzt nicht m ehr ko m i sch. Es war nervenau f r eibend, m it zwei Menschen z usam m enzuleben, die zwischen W a ff enstillstand und K l einkrieg hin und her s c hwankten. Dazu ka m , daß Monika ihn nicht mochte. Ohne falsc h e B escheidenheit konnte er von sich sagen, daß er m it Angehörigen des weiblichen Geschlechts in der Regel hervorragend auska m . Gut, Käthe hatte ihn zu Beginn ihrer Bekanntschaft etwas frostig behandelt, doch er hatte das da m a ls nicht persönlich genommen; so war sie nun ein m al, ehe m an ihre Freundschaft gewann, und sie hatte viele seiner Ansichten und seinen Lebensstil m i ßbilligt. Der Fall lag b e i Monika ein f ach anders. Sie sah ihn nicht als Person, sondern als leb e ndige Last am Hals, obwohl sie das nie direkt sagte. Aber wenn sie in seiner Gegenwart Zeitung las, ließ sie m eistens die Seiten, in denen die Phrase »jüdischer Volksschädling« vorka m , offen liegen oder blätterte ost e nativ in dem Pflichtexe m plar von M e in Kampf, d as sie für i h r Heim besorgt hatte, obwohl er wußte, daß sie es nicht l a s. Er hoffte zuerst, da ß er s i ch irrte und einfach zu e m pfindlich in dieser Beziehung reagierte, bis sie ihn bat, dem Kind keine jiddischen o der he b r äi sc hen Ausdr ü cke beizubringen, das sei nicht gut, jetzt, wo es heru m lief und m it jed e m schwatzte, der zuhörte. Es wäre l ächerlich ge w esen, wenn es nicht so gesch m erzt hätte. Er erwiderte n u r, er spreche kein Hebräisch, und sein Hochdeutsch ließe seines W i ssens auch nic h ts zu wünschen übrig. Es kam ihm nicht in den Sinn, Robert davon zu erzählen, das hätte die häuslichen Verhältnisse nur noch verschlim m ert, aber von da an versuchte er nicht m eh r , Monika für sich zu gewinnen.
Zur Zeit lebten sie in München, weil Robert für zwei Stücke, eine Inszenieru n g als Regis s eur und einen Auftritt als Schaus p i eler, bei den K a m m e rspielen engagiert worden war. Zuerst glau b t e er, diese Zwischenphase in der R eihe der ständigen U m züge genießen zu können; seit dem Verlust seiner Praxis hatte er München nur noch gelegentlich be s ucht. Aber es erwies sich als sc h li mm er als alle Aufenthalte in wildfr e m den Städten. V i ele seiner alten Freunde und Bekannten, selbst zwei Frauen, m it den e n er eine Affäre gehabt hatte, wichen ihm aus und wandten den Blick ab, wenn sie ihn auf der Straße sahen. Auf seiner Lieblingsb a nk im Englischen Garten, in der Nähe des Teehauses, hing ein Schild »Nicht für Juden«. Und nun, heute, als er wieder einmal sein Glück bei dem französischen Konsulat
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