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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gefaßt. Ihn auszuführen erwies sich jedoch als fast un m öglich. Seit über einem Jahr beantra g te er Einreisev i sum für Einreisevisu m , für Frankreich, für die Schweiz, für England, für die USA. Nicht nur war er einer von sehr vielen; die Zahl der erteilten Einreiseerlaubnisse für deutsche Juden schien m it jed e m J ahr geringer statt größer zu werden. Die Zeiten, in denen er Städte wie Paris besuchen konnte, waren vorbei. Er zog nicht in Erwägung, es in Österreich zu versuchen. Die Österreicher hatten seit dem F r ühjahr 1934 ebenfalls einen Ein-Parteien-Staat, und er würde sich nur noch in einer Demokratie sicher fühlen können.
    Es gab auch Lichtblicke, aber nur, w enn er sich m it einigen der anderen verglich, die wie er Konsulat um Konsulat, Botschaft um Botschaft aufsuchten, um ein Visum zu erlangen. Er konnte seinen Beruf im m erhin noch ausüben, als Hausa r zt für jüdische Freunde und für den festen Kern von Schauspielern, Technikern und Autoren, die sich um Robert scharten. D a seine j ü di schen Freu n de aber über im m er weniger finanzielle Mittel verfügte n , bedeutete das letztendlich, daß er, abgesehen von seinen Ersparnissen, von Robert und Roberts Freunden lebte. Es bedeutete außer d e m , daß er lebte, wo auch im m er Robert gerade arbeitete, und das war nicht im m er einfach. Robert drehte b er e its seit ein e i n halb Jah r en an seinem Fil m , dem er den sarkasti s chen Arbeit s titel Endlos verliehen hatte; jedes m al, wenn er über genügend Geld verfügte, entweder dank eigener Einkünfte oder einer neuen investition s freudigen Q uelle, drehte er w e it e r, bis ihm das Geld ausging, dann kehrte er zu der Flut von anderen P r ojekten zurück, m it denen er seinen Leben s unterhalt verdiente. Da nicht alle Mitwirkenden im m er z ur Verfügung standen, wenn Geld da war, mußte er ständig i m provisieren. Für das erste halbe Jahr fehlte sogar eine richtige Hauptdarstellerin, weil er die betreffenden Schauspielerinnen ständig auswechselte, falls sie nicht von sel b st kündigten. Einen besti mm ten Drehort gab es nicht; Robert nah m , was er vorfand, und fügte es der fiktiven Stadt hinzu, in der seine Kri m inalgeschichte spielte. Einer der Schauspieler, Helmut Holpe r t, hatte Dr. G o ld m ann gegenüber das Ganze m it ein e m Wanderzirkus verglichen, dessen Ense m ble auf einen Telefonanruf oder ein Telegramm des Direktors hin von einem Eck Deutschlands ins andere eilte.
    »Die Frage ist, tun wir es f ür das Publiku m , für den Direktor oder weil uns sonst nie m and engagiert? Das Erstau n liche ist, ich bin m ir nicht s icher . «
    Holpert, d e r f ür seine Depressionen eigentlich einen Psychiater brauchte, was nicht Dr. Gold m anns Fachgebiet war, hatte von dem Prozeß erzählt, der gegen ihn entschieden worden war.
    »Da ich m eine Eltern und m i ch nun ein m al in diesen Sch m utz hineingezogen habe, um meine Karriere zu retten, bin ich in die Berufung gegangen. Und nun kom m t mein Problem, Doktor: D ie halbe Zeit will ich Robert u m bringen, weil er m i r die Sache eing e r e det hat, und die andere Hälfte der Zeit bin ich heilfroh, daß es ihn gibt, und nicht nur, w eil er m i r m einen Leb e nsunterhalt verschafft. Ich habe m it vielen L euten z u sam m engearbei t et, aber kei n er ist so verdammt gut darin, gleichzeitig Bewunderung und Beschützerinstinkte in einem zu we c ken und einen dazu zu kriegen, daß m an tut, w a s er will. W i e haben Sie das nur überlebt, ihn aufzuziehen ? «
    »Ich war nicht der einzige.«
    »Ja, ric h tig. Aber Sie h aben offenbar am längsten durchgehalten. König senior ist tot, von diesem Lehrer m enschen hört m a n auch nichts m ehr, seit er seine Schule hat schließen müssen, und die Messieurs aus d er Schweiz lassen sich nur alle Jubeljahre b lic ke n. Meine Glückwünsche, Doktor. Es m uß ein gutes Gefühl sein, unseren Robert ganz für sich zu haben. Mehr, als die ar m e Monika von sich behaupten kann. W i e kommen Sie eig e ntlich m it dieser Zi m t zicke au s ? «
    An dieser Stelle hatte Dr. Gold m a nn das Gespräch abgebrochen und es wieder auf Holperts Gesundheitszustand gelenkt. Er hatte nicht die Absicht, m it Außenstehenden, auch wenn es Roberts Freunde waren, die ganze schwierige Situation zu erörtern. Unter anderen Umständen, in einer anderen Zeit, würde ihm das Zusa mm enleben mit Rob e rt u n d sei n er F a m ilie nic h ts als Freude ber e it e t haben. Das Konzept kam g e fährlich

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