Unter dem Zwillingsstern
versuchte, dieses Ausstellungsplakat: ENTA RT ETE K UNS T .
Offenbar sollte dies das Gegen s tück zu der B ücherverbrennung werden. Er erinnerte sich an d a s München seiner Kindheit, seiner frühen Jugend, all die Künstler in Schwabing. Später hatte er zu Barbara gesagt, daß München Berlin als Kulturstadt alle m al vor z uzieh e n sei, nicht n ur, weil h i e r die b edeutenderen Schriftsteller und Maler wohnten, sondern vor allem auch, w e il es hier die wahren Lebenskünstler gebe. Südlicher Cha r m e statt preußischer Rigorosität. Vorbei, verschwunden. München hatte, genau wie der Rest des Landes, seine Seele verkauft, und er w a r bei dem ersten Angebot, d e m Putschversuch 1923, dabeigewesen und hatte nichts verstanden, nichts begri f fen.
Es bereitete ihm Mühe, ein fröhliches Gesicht für das Kind aufzusetzen, als er die W ohnung, die Rob e rt für die D auer seines Engage m ents in München ge m i etet hatte, erreichte, doch es gelang ih m . Martina würde im nächsten Monat ihren vierten Geburtstag feiern, und sie war ein aufgewecktes, kleines Ding, das schon viel zuviel begriff. Seltsa m erweise erinnerte s ie ihn kaum a n Robert in dem Alter. Sie besaß sein Lächeln und die braunen Haare, aber sonst ähnelte sie m it ihrer hellen Haut und den f e inen Gesichtszügen einer Porzellanpuppe. R obert hatte nie etwas Z e rbrechliches an sich gehabt.
»Dada!« rief sie und rannte auf ihn zu. Dr. Gold m ann nahm sie auf und schwang sie ein m al heru m . Hän d e, Gesicht und ihr Kittel waren völlig v er sc h m iert, was ihm verriet, daß Robert zu Hause u n d Monika unterwegs sein m ußte. Rober t s Vorstellung von elterlicher Aufsicht bestand darin, Martina beizu b ringen, wie m an die Spur einer Handk a m era ölte oder sich eine falsche Nase ansch m inken konnte; irgendwie trug alles, was er sie lehrte, dazu bei, sie sch m utzig zu m achen, w a s für Monika ein ständiges Ärgernis war, und Martin Gold m ann kannte Robert zu gut, um nicht zu ver m uten, daß darin eine gewisse Absicht lag. Im übrigen verhielt sich Robert seiner kleinen Tochter gegenüber weniger wie ein Vater denn wie ein älterer Bruder. Manch m al ignorierte er s i e, m anch m al führte er ihr Zaubertricks vor und behandelte sie a l s dankbares Publiku m , und hin und wieder erzählte er ihr eine Geschic h te. W enn sie etwas tat, d as er ihr verboten hatte, zuckte er die Achse l n; je nach La une ignorierte er sie danach wieder oder überging es ein f ach und spielte m it ihr, eine Methode ließ sich darin nicht erkennen. Es blieb Monika und Dr. Gold m ann vorbehalten, Martina Ver b ote wie das »Finger weg von Streichhölzern« zu erklären, sie zu er m ahnen oder zu bestrafen, obwohl Dr. Gold m ann sich nie zu m ehr als einem m ißbilligenden Schnalzen m it der Zunge durchringen konnte. Im übrigen war Robert durch seinen Beruf selten genug anwesend, und wenn Martina ihn nicht Papa nennen würde, so argwöhnte Dr. Gold m ann, so wüßte sie überhaupt nicht, daß er ihr Vater war.
Er fand Robert in der Küche, d a mit beschä ft i g t, sein Glü c k m it Butterbroten zu versuchen. Ein offenes Glas Leberwurst und ein kleines, stumpfes Messer erklä r ten Martinas A ufzug. Das Mädchen kletterte auf den Stuhl neben Robert und i m itierte ihn au fm erks a m , wobei die Brotscheibe, die sie s i ch abgeschnitten hatte, reichlich unregel m äßig ausfiel. Er hatte das Radio angeschaltet; eine volle, weiche Altsti mm e, die Dr. Gold m ann unbekannt w ar, sang einen ebenfalls neuen Schlager.
» W er ist das ? « fragte Dr. Gold m ann neugierig.
Er hatte sein Faible für S ängerin n en nie verloren und hielt sich zugute, die wichtigsten an der Stimme erkennen zu können. Seit ihm Museen, Oper und die meisten Theater versagt blieben, hörte er m ehr und m ehr Grammophon und Radio.
»Eine Neuentdeckung aus Schweden, die gerade bei der Gloria in Österreich ihren ersten Film gedreht hat. Zarah Leander.« Robert deutete auf den von Martina enthusi a stisch m alträtierten Brotlaib.
»Hast du Hunger ? «
»Nein, im Augenblick nicht. Martina, so viele Scheiben kannst du doch gar nicht essen, Kleines, hör lieber auf.«
»Oh, sie sc h neidet s ie ni cht für s i ch«, sagte Robert grinsend. »Das wird m ein Proviant für den Abend. Du glaubst nicht, wie geizig die K a m m erspiele m it der Verköstigu n g ihrer Schauspieler sind.« Die Heiter k eit wich aus sei n em Gesicht, als er fragte: »Das g l eiche wie im m er?«
Dr.
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