Unter dem Zwillingsstern
war, schrieb in d er Schule Aufsätze über Adolf Hitler, den Retter unserer Nation und sang am Nach m ittag Unsere Fahne Flattert Uns Voran. Da Astrids Mann der Meinung war, den dunklen Fleck in der Vergangenheit seiner Frau durch m akellose Gesinnungstreue wiedergut m achen zu m üssen, so daß ihm nie in den Sinn gekom m en wäre, zu riskieren, dem Kind von Haus aus kritische Meinungen m itzugeben, m ußte sie s i ch ihrem eigenen Sohn gegenüber einer ständigen Selbstzensur unterwerfen.
»Das ist keine Zeit, um Kinder zu bekommen«, sagte er wieder und wieder zu Monika, a b er s i e h ö rte nicht zu. Statt dessen b estand sie darauf, er sei nur selbstsüchtig und wolle ihr die e i nzige Art von Lebenssinn verweigern, die ihr noch geblieben sei. Im Grunde seines Herzens wußte er, daß e r ver m utlich auch in der alten Rep u blik k e in zweites Kind m ehr gewollt hätte, und so hatte sie nicht ganz und gar unrecht, aber das änderte nichts an seinen übrigen, schwerwiegenderen Gründen. Auf jeden Fall war ihr heutiger Versuch, Streit anzufangen, nach dem Gespräch m it D a da der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Er hatte das dringende Bedürfnis, je m anden in Stücke zu reißen, und wer war für solche Fälle besser geeignet als sein alter Freund, Phili p p der Hai?
Sollte Philipp zu Hau s e sein, wi n kte die M ö glichk e it, j e m and e m gegenüber Grausa m keit zu zeigen, der es verdiente und selbst ein Meister darin war, statt die erstickende Mischung aus Frustration, Haß und Selbsthaß an Monika oder Dada auszulassen. W e nn nicht, dann war er durchaus i m stande, Monikas Vorwurf in bezug auf Elfi Bach m aier Berechtigung zu versc h affen. Er hatte keine Ahnung, warum sie m it ihm sprec h en wollte; v ielleic h t h atte Mo n ika da auch etwas falsch verstanden. Das a r m e Lamm kannte ihn kaum und war nur zu froh, gelege n tlich m it der Gla m ourwelt ihrer Fil m illustrierten in Verbindung treten zu können. Es würde nicht weiter schwer sein, sie zu verführen, und ganz gewiß e i n Schlag für Herrn Bach m aiers Besitzerstolz, wenn schon für nichts anderes.
Bis er in Bogenhausen angekommen war, h a tte s ich s eine W ut e twas abgekühlt. Du m eine Güte, d a chte er abgestoßen, ich denke schon wie Jago. Erst vor kurzem hatte er einige Othell o -Monologe für eine Plattenfir m a gesprochen und dabei an all die Diskussionen gedacht, die er und Gustaf Gründgens seinerzeit über Jagos mögliche Motive geführt hatten. Ich hätte m i r die Freud-Lektüre sparen können, dachte Robert, als er vor der alten Villa stand, unschlüssig, ob er nicht wieder u m kehren sollte. D o ch das Umkehren hatte ihm noch nie gelegen.
Daß der Herr des Hauses oder do c h zu m i ndest sein schwarzer Mercedes nic h t da war, erkannte er b e reits durch einen Blick zur Garage hin und fragte sich unwillkürlich, ob dort noch immer das alte Fahrrad stand, auf d e m er und Carla ihre Kunststücke veranstaltet hatten. Und als ihm kein Bediensteter, s o ndern Elfi Bach m aier persönlich öffnete, entdeckte er auch den Grund für Monikas Ausbruch. Die junge Frau war unübersehbar schw a nger, im vierten oder fünften Monat, schätzte er, nur sah m an es bei ihr noch stärker als bei Monika da m als. Doch das war nicht die einzige Veränderung, die ihm sofort auffiel. An die St elle des fröhlichen Mädchens, das fast zuviel schwatzte, war eine Frau getrete n , die gerötete Augen und einen verzweifelten Z ug um den Mund hatte. Die Reste seiner Jago-Stim m ung verloren sich m it einem Schlag.
»Ach, Rob e rt«, sagte sie m it brüch i ger Stim m e, »es ist so lieb von Ihnen, daß S i e gleich gekom m en sind.«
Sie reichte ihm die r echte Hand, während die linke nervös m it der Perlenkette spielte, die sie um d e n Hals trug. E r äußerte einige Belanglosigkeiten, dann folgte er i h r in den kleinen Salon. Zwischendurch passierten sie den Majordo m u s , der Robert einen erleichterten Blick zuwarf, was Rob e rt m ehr beu n ruhigte, als es ein Hinauswurf getan hätte.
»O Gott«, sagte E lfi, als sie wie d er allein waren, »Sie m üssen m ir helfen!«
Dann fiel sie ihm in die A r m e und begann, an seiner Schulter zu schluchzen. Langsam erhärtete sich bei Robert der Verdacht, daß sein Leben von je m andem m it ein e m durchdringenden Sinn für Ironie regiert wurde. Von einer unglücklichen Ehefrau zu einer anderen zu wandern… Er tat, w as von ihm erwartet wurde, hielt sie fest, ließ sie weinen und
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