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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eine Predigt über Massenverführbarkeit und mörderische Instin k t e zu halte n . Seinen Film, Fury, f a nd sie eine Unverschä m theit gegen das Land, das ihn so gastfreundlich aufgenom m en hatte; die Bürger einer kleinen a m e rika n ischen Stadt a ls ly n chwütig e , aufhetzbare Menge zu p orträtieren und den sympathischen Spencer Tracy im letzten Dritt e l einen r a ch e besessenen Fanatik e r s p ielen zu lassen konnte nur einer perversen, u n a m erikanischen Phantasie entspringen.
    Carla Fehr sprach zu m i ndest ordentliches Englisch, und obwohl m an i m m er noch hörte, daß es nicht i h re Mutter s prache war, ließ sich ihr vage nordeuropäisch klingender Akzent nicht m ehr auf ein bestim m tes Land festlegen, was der Bandbreite ihrer Rollen zugute ka m . Aber gerade jetzt trug sie die gleiche selbstgerechtbesserwisserische Aura wie Lang zur Schau. Es m ußte eine Krankheit sein, die Deutsche im Ausland überfiel. Selbst Marlene Dietrich hatte sich neulich, statt über ihre Affäre m it diesem reizenden Franzosen zu plaudern, endlos über die Verhältnisse in ihrer Hei m at ausgelassen. Aber bitte, wenn es denn sein m ußte; eine ihrer geplanten Fragen hatte ohnehin am R a nde m it dem Th e m a zu tun.
    »Sie sind nicht eben patriotisch«, kom m entierte Hedda. »Stim m t es, daß Sie Ihre deutsche Staatsb ü r gerschaft auf g egeben haben?«
    Diese Infor m ation verdankte sie einem Anruf bei der deutschen Botschaft, weil sie die Biograph i e, die das St udio von C arla Fehr herausge g e b en hatte, ü berprü f en wollte. St u diobiog r aphien übersprangen meistens die interessanteren Details; sie dachte daran, was sie über Joan Crawfords Jahre a l s L ucille LuSoeur herausgefunden hatte. Seither fraß die gute Joa n ie ihr aus der Hand und wußte, zu w e m sie zu kom m en hatte, wenn es Exklusivnachrichten gab. Aber die Botschaft hatte noch nicht ein m al bestätigen können, ob Carla Fehr wirklich als Carla Fehr g e boren wurde oder schon ein m al verheiratet war, sondern nur verkündet, daß die Besagte seit Nove m ber 1935 auf eigenen W un s ch nicht m ehr Bürgerin des Deutschen Reiches sei.
    Ihr Gegenüber nickte. H edda kannte sich m it den W undern aus, die K a m era und Maske an einem Ges i cht bewirken konnten, doch sie mußte anerkennen, daß Carla Fehr dem Film wirklich gutes Ausgangs m aterial bot. Eine Schande nur wegen der Augen, die auf der Leinwand immer so hypnotisierend und eindringlich wirkten; sie waren jetzt hinter einer, zugeg e ben aparten, Sonnenbrille verborgen, was Hedda um die Gelegenheit bra c hte, ihren Ausdruck auszufo r schen. Bei f rüheren Begegnungen war sie nie nahe genug herangekom m en, um auch nur die Farbe zu erkennen. Immerhin konnte m an durch die geschwungenen Augenbrauen sehen, daß der satte, dunkle Kupferton des langen, üppigen Haars nicht künstlich war. In den Presse m appen von Universal gab es eine Aufnah m e von Carla Fehr m it einer Pagenfrisur, wie sie Louise Brooks berüh m t g e m a cht hatte und die ihr eine gewisse androgyne Ausstrahlung verlieh, doch Hedda erinnerte sich n i cht, d i e Frau je so erlebt zu haben. Die Fil m e, die Portr ä ts, d i e sie wirkli c h berüh m t ge m acht hatten, z e igten sie alle langhaarig, am e ffektivsten Die Spinnenfrau, wo sie es ihren Opfern um den Hals le g te. He d da m ochte Horrorfil m e nicht b eson d ers, doch die Popularität solcher Streifen ließ sich nicht bestreiten, und vor allem brac h ten sie es bei Univer s al im m er irgendwie f ertig, dem Hays Office und seinen strengen Zensur m aßnah m en, um den sittlichen Anstand zu wahren, ein Schnippchen zu schlagen. In der Spinnenfrau z u m Beispiel war Carla F ehr an kein e r St e lle m it einem der drei m ännlichen Hauptdarsteller je auf einem Bett zu se h en dies war selbst bei der Darstellung von E h eleuten verboten -, und sie küßte nie m anden länger als die vor g eschriebenen zehn Sekunden. Trotzdem hatte sie die berüchtigte Szene, in der sie im Prinzip nichts anderes tat, als um Vincent P r ice heru m zugehen und ihr Haar, das sie sich durch die F i nger fließen ließ, dazu zu benutzen, ihn unter dem Kinn, an den Sc h ultern, über den Nacken zu streicheln, endg ü ltig zur femme fatale von Universal und zu einem S c hlagwort ge m acht. In einem Gangsterfilm der W arner B r others, den Hedda erst kürzlich rezen s i ert h atte, beschrieb eine Fi g ur der anderen das Hauptquartier der Bande als »die Art Haus, wo Boris Karloff i m

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