Unter dem Zwillingsstern
Regisseure oder Produzentinnen, sie war nic h t die Ehefrau eines Produzenten, und sie zählte auch nicht, wie etwa Frances Marion, zu der seltenen Spezies der erfolgreichen Drehbuchautoren, m ännlich oder weiblich, die in Hollywood nicht als jederze i t ersetzbares Zahnrädchen in der Film m aschinerie galten. Trotzdem war es ihr gelungen, zu einer der beiden gefürchtetsten Frauen Hollywoods zu werden. Sie wußte es, und sie kostete es aus. Vor ein paar Jahren noch hatte sie als halbvergessenes Starlet aus der Stummfi l mz eit ihr Dasein gefristet, und die D e m ütigungen, die Zurückweisungen blieben ihr unvergessen. Inzwischen schrieb sie Klatschkol u m n en über die Fil m welt und sprach eine angepaßte Version davon für das Radio. Im Unterschied zu den Hunderten von Journalisten im ga n zen Land, die Ähnliches taten, wurde ihr jedes W ort geglaubt, hatten ihre Arti k el die Mac h t, Karrieren ern s thaft zu beei n t rächtigen, we n n nicht zu zerstören.
Ihre einzige Rivalin war Louella P arsons. Louella hatte den Vorteil, für den Pressezaren W illiam R a ndolph Hearst zu arbeiten; Hedda kannte dafür das Fi l m geschäft von innen, sie wußte, wie das Spiel lief und m it w e m m an s prechen m ußte. Außerdem hatte das Hearst-I m perium seinen Zenit b ereits üb e rs c hritten; seit der W irtsc h aftskrise verkaufte der alte Mann gelegentlich sogar Stücke seiner legendären S a m m lungen, und die Stim m ung i m Land war gegenüber Großkapitalisten nic h t sehr freu n dlich. Noch nie hatte es in A m erika derartige staatliche Kontrollen für freie Unterneh m er gegeben wie im Rah m en von Roosevelts New Deal, von all den Sozialprogram m en ganz zu schweigen. Dennoch, es war nicht ratsa m , Louella Parsons ein Interview zu verweigern, und nie m and wagte es, Hedda Hopper eines abzuschlagen.
Also saß sie nun beim Lunch im D e laney’s, einem der exklusiven kleinen Restaurants in B everly Hills, und nahm i hre Gesprächspartnerin prüfend in Augenschein. Sie h a tte Ca r la F ehr eige n tli c h in ihrem Haus aufsuchen wollen, war jedoch auf das Angebot eines Lunchs bei Delaney eingegangen. Das konnte erfahrungsge m äß zweierlei b edeuten. E n tweder achtete d i e Frau sorgfältig auf das mysteriöse I m age, das ihr das Studio verpaßt hatte, um sie noch besser verkaufen zu können, oder sie l e gte schlicht und einfach keinen Wert auf j o urnalistische Besuche in ihrer Pri v atsphäre. Wie auch im m er, Heddas Klauen waren geschärft und ein Essen bei Delaney nicht übel, obwohl sie aufpaßte, was sie zu sich nah m . D e r Himmel verhüte, daß sie in die Breite ging wie Louella, die alte Kuh.
»Carla, Darling«, zwitscherte sie, nachdem sie sich begrüßt hatten,
»stim m t es, was ich gehört habe?«
Es war der ä lte s te T r ick der W elt, aber es gab im m er wieder Leute, die darauf hereinfielen und Neuigkeiten offenbarten, die sie eigentlich verschweigen wollten, die derzeitige Mrs. Gable etwa, die sich bei Hedda w egen ihres Mannes und Carol Lombard ausge h eult h atte. Unglücklicherweise zählte Carla F e hr nicht zu den Naiven dieser W elt.
»Über Guernica? Ja, ich habe es auch heute m orgen in der Z eitung gelesen. W issen Sie, was m ich daran am m ei s ten schockiert? Eine baskische Stadt wird von deutsch e n Flugzeugen in Grund und Boden bo m bardiert, und keine westliche Regierung ringt sich auch nur zu einer Protestnote durch.«
Hedda unterdrückte ein Aufseufzen, nicht weil Carla Fe h r s i e a b sichtlich m ißverstanden hatte, s ondern weil sie das Theater nicht begriff, das die Europäer in Hollywood um den spanischen Bürgerkrieg m achten. Es hatte im m er Europäer in Hollywood gegeben, aber in den letzten Jahren waren es m ehr und m ehr geworden, hauptsächlich deutschsprachige E uropäer, und seit einiger Zeit bestanden sie darauf, sich in allen möglichen » G ruppen gegen den Faschis m us« und »Flüchtlingshilfsorganisationen« zu betätigen und bei allen m öglichen Gelegenheiten düstere P r o g nosen über die Lage in Europa abzugeben. Sie e r inne r t e sich an e i n Inter v iew mit F r itz Lang im letzten Jahr, a n läßlich s e i n es er s ten a m erikanisc h en Fil m s. Nicht nur sprach der Mann ein schauderhaftes Englisch und benahm sich m it seinem Monokel und den abgehackten, fahrigen Gesten genau wie ein preußisches Monstrum aus einem der Fil m e, die während des let z ten Kri e gs gedre h t wurden; er bestand auch noch darauf, ihr an Ort und S t elle
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