Unter dem Zwillingsstern
Aber wenn es j e tzt zu einem Streik ka m , dann verlor sie wahrscheinlich nicht nur e i ne im m ens wi c htige Rolle, sondern auch die erste Chance seit Jahren, E u ropa wiederzusehen.
Nachdem Carl Laem m l e senior Universal wi d er aller Erwarten an ein Syndikat verkauft hatte, verließ ihr alter Verbündeter Paul Kohner das Studio. Nach zwei kurzen und nicht sehr glücklichen Zwischenspielen bei MGM und Columbia m achte er sich selbständig, nicht als Produzent, sondern als A gent. Es dauerte nicht lange, und viele der Schauspieler, Drehbuchautoren und R e gisseure, die m it ihm als Produzenten unge w öhnlich positive E r fahrungen ge m acht hatten, wurden seine Klienten, und das keineswegs aus senti m entalen Gründen. Kohners Verhandlungsgeschick war legendär, und vor einigen W ochen hatte er Ca r la etwas ver m itt e lt, das g ef ährlich na h e an ein Idealbild heranka m . Angefeuert du r ch David Selznicks i mm ens erfolgreiche Dickens-Verfil m ung David Copperfield, m achte das viktorianische England d e rzeit in Hollywood Furore. Bei Para m ount beschloß man, Selznick noch an Authentizität zu überbieten und in England selbst eine Verfil m ung von W ilkie Collins’ Ro m an Armadale zu drehe n . Und Lydia Gwilt, Heldin und Schurkin des Ro m ans in einer Person, die kluge, verzwei f elte, sarkastische und wortgewandte Lydia m it ihrem roten Haar und der düsteren Vergangenheit war die Rolle, die P aul Kohner für Carla an Land gezogen hatte. Z ur Zeit m achte in Hollywood Marga r et Mitchells Bestseller Vom Winde Verweht die Runde, und jede Schauspielerin glaubte, daß nur sie Scarlett spielen konnte. Carla ging es so m it Lydia. Lydia allein wäre schon ein Grund gewesen, Kohner um den Hals zu fallen und ihm auf Knien zu danken, aber Arbeit in England bedeutete noch sehr viel m ehr. Es bedeutete die Chance, nach Frankreich zu fahren und Kathi wiederzusehen. Es bedeutete, Robert wiederzusehen, ohne nach Deutschland zurückkehren zu müssen, denn er fand gewiß die Gelegenheit, eine kurze Reise nach Frankreich oder England zu m achen. Seit sie den Vertrag unters c hrieben hatte, brannte sie vor Ungeduld, die Reise endli c h anzutr e t e n . Sollte sie s ich an ein e m Streik beteiligen, würde sie all das in Frage stellen.
Produzenten waren nicht für ihre versöhnliche Natur bekannt; der einzige, der so etwas verstanden h ä tte, Kohner, war keiner m ehr. Er hatte es gewiß nicht einfach g e habt, Bud Feiton von Paramount zu überreden, sie von Universal auszuleihen. Gewiß, Armadale gehörte m it seinen Morden und Intri g en in das weitere Umfeld des Schauerro m ans, aber Para m ount drehte keine Horrorfil m e, und das Projekt lief unter dem Stichwort viktorianische Literaturverfilmung. Es ha n delte sich um die Art Fil m , die ernst genommen wurde, die ins Ausland exportiert wurde, die bei d e r V erleihung der Oscars berücksichtigt wurde. Eine durch Universal als Horrorikone etablierte Schauspielerin für die Hauptrolle zu wählen lud zu Spott und schlechten Kriti k en ein, barg aller d ings auch die Chance ei n es Überra sc hungserfolgs, wie ihn Greta G arbo geha b t hatte, als s i e zum ersten Mal in dem ihr völlig fre m den Genre der Ko m ödie spielte. Kohner m ußte die Leute bei Para m ount überzeugt h a ben, daß es sich lohnte, auf ihre schauspielerischen Fähigkeiten zu setzen. Die Beteiligung an einem Streik konnte sie nicht nur die Rolle der Lydia kosten, sondern sie ein für alle m al um die Chance bri n gen, hier in A m erika etwas anderes zu geben als attraktive Monst e r aller Arten. Es konnte sie letztlich sogar den besten Agenten kosten, den sie je gehabt hatte. Und Europa…
Natürlich brauchte sie keinen Fil m , um nach Europa zu fahren. Carla war i n zwischen mehr als in der Lage, für eine derarti g e Reise zu beza h len. Das Pro b lem lag in i h rer Staate n l o sigkeit. Sie hatte i n zwischen eine ständige Aufenthaltserlaubnis für A m erika und glaubte nic h t e r n stha f t an S c hwierigk e it e n dabei, d ie USA zu verla s sen und auch wieder einzureisen. Sel b st wenn die Leute bei U niversal ebenfalls nachtragend wegen einer Streikbeteiligung sein sollten, sie brachte ihn e n m ittl e rweile zuviel G e ld ein, um nicht a u ch da f ür zu sorgen, daß sie wiederka m . Aber als staate n l o se Privat p erson England und Frankreich zu besuchen war nicht nur m it einem erheblichen Papierkrieg verbunden, sondern barg auch die Gefahr, irgendwo in Frankreich durch ein
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