Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
»Aber gib die Hoffnung nicht auf. S o, wie es jetzt aus s ieht, wird Franco den Bürgerkrieg gewinnen, und vielleicht wirst du dann deutscher Botschafter in Spanien. Da liegen dann zwar sehr viele Leichen störend in der Landschaft herum, aber es gibt jede Menge Stiere, und ich bin sicher, die Fir m a würde davon profitieren.«
    »Du hast dich nicht verändert«, s a gte er. Mit einemmal spürte sie die Erschöpfung nach ihrer langen Reise aus Frankreich und sank ohne weiteres in den Sessel, den er vorhin geräu m t hatte.
    »O doch«, e rwiderte sie und dachte an die Abtreibung, an den Tag, an d e m sie durch die Hölle gegangen war. Selbst wenn er davon gewußt hätte, würde er nie verstehen, was es für sie bede u t ete. Er war ein Mann. »Du hast ja keine Ahnung, wie sehr.«
    Philipp setzte sich i h r ge genüber. » Ich glaube«, s agte er n ac h denklich, ohne den Blick von ihr zu w e nden, »wenn du nicht existiertest, wenn es dich nie gegeben hätte, wüßte ich, was Zufriedenheit bedeutet. Aber ich hätte nie m als gelebt.«
    Ihr war k alt, sehr k alt; si e hatte nicht gewußt, daß m an Schmerz so körperlich als das Stechen tausend e r winziger Eispartikel e m pfinden konnte. Es kam so nahe an ein Geständnis von Liebe heran, wie es ihm m öglich war. Aber es war zu spät, zu s p ät für sie und zu s pät für ihn, falls es überhaupt je m als eine richtige Zeit f ür sie beide gegeben hatte. E r st als er sich erhob und über das kleine Tischchen zwischen den Sesseln hinweg die Hand ausst r eckte, um ihre W ange zu berühren, be m erkte sie, daß sie weinte.
    »Philipp«, sagte sie abrupt, »wir werden uns wahrscheinlich nie m ehr wiedersehen. Aber ich«, sie schloß die Augen und zwang den würgenden Klu m pen aus Panik und Stolz hinunter, »ich würde dies m al gerne Abschied von dir neh m en, ohne daß einer von uns den anderen verletzt. Um uns beiden eine heilende Erinnerung zu geben.« Sie wußte n icht, ob e r b egri ff , was s i e ihm da m it m itteilen wollte. Nie m and konnte die Zeit zurüc k drehen, und die Gegenwart war unerbittlich. Si e würde sich bereits n a ch einem T a g, nach einem halben Tag, wieder einstellen. Aber sie hatte ihn ein m a l geliebt, so sehr sie es leugnen wollte, und daß es ihn g ab, prägte einen Teil v o n ihr unwiderruflich, von dem Mo m ent an, als er sie bei der Hochzeit ihrer Schwester geküßt hatte. Es war eine ungewollte, nur selten glückliche Verbindung, doch sie existierte, und auch sie hätte nicht darauf verzichten wollen, und heute war ihre letzte C hance, zu m i ndest das Ende der Geschichte neu zu schreiben. Sie spürte seine Hand, die den Verlauf ihrer Tränen nachzeichnete.
    »Gut«, sagte er leise. » N eh m en wir Abschied.«
     
    Es war nach elf, als sie die Tür zu der Z i mmerflucht öffnete, die m an ihr und ihrer »Assistentin« zur Verfügung gestellt hatte. Kein Licht brannte; im Dunkeln tastete sie nach d e m Schalter und fand ihn erst nach einigem Suchen. Die Suite bestand aus einem Wohn- und Arbeitszim m er, zwei Schlafzim m e r n, einem Badezim m er und einem kleineren A nkleideraum. Sie erwar t ete halbwegs, daß sich Nancy in ihrem Schlafzimmer verbarri k adi e rt hatte, aber als das Lic h t ein m al brannte, fand sie es so leer und unverschlossen wie den Rest der Räu m e. Nirgendwo lag ein Zettel, so sehr sie auch suchte. Auf eine weitere Au s sprache ein g estellt, fiel s i e nun in tiefe Beunruhi g ung. Im Wohnz i mmer stand ein Telefon, also rief sie bei der Rezeption an, erkundigte sich, ob Miss Naka m ura eine Nachricht hinterlassen habe, und erhielt einen negativen Besch e id. Nie m and hatte Nancy das Hotel verlassen sehen, und ihr Schlüssel war nicht abgegeben worden, doch das besagte nichts. Man achtete nicht besonders auf sie, sie konnte gegangen sein, ohne das es je m and be m erkte, und ihren Schlüssel m itgenom m en haben. Auf jeden Fall war sie zu Fuß unterwegs, denn daran, eine Taxe für sie gerufen zu hab e n, hätte der Porti e r sich eri n nert.
    Die Vorstellung, Nancy irre durch das nächtliche London, m achte ihr Sorgen. Gut, vielleicht war sie einfach nur wütend, aufgebracht über das, was sie dur c h Philip p s plöt z lich e s Au f t auchen entdec k t hatte, und brauchte einige Zeit für sich allein. Vielleicht wollte sie sich auch rächen und wußte, daß ihre m ysteriöse Abwesenheit Befürchtungen in Carla auslösen würde. So hätte Carla selbst reagiert. Nur sagte ihr ihre innere Stim m e, daß

Weitere Kostenlose Bücher