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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ist Ihnen doch klar«, sagte K ä the, um Selbstbeherrschung ringend, »daß zu m i ndest ein Teil von uns, wenn nicht alle, in Lebensgefahr schweben, wenn die deutsche A r m ee hier eintrifft und wir uns im m er noch hier befinden. W i r gelten alle als Verräter.«
    Das Gesicht des Offiziers versc h loß sich. »Ich dachte, Sie gelten als die fünfte Kolonne.«
    Die Geschichte von der fünften Kolonne hatte Goebbels in die Welt gesetzt; die E m igranten in Radiosendungen und Flugblättern als gehei m e Sp i one des deutschen Reichs zu bezeichnen, die nur darauf warteten, die Verteidigung ihrer G a stländer zu sabotieren, war ein propagandistischer Meist e rstreich, der nicht nur die Moral d er Fra n zosen untergrub, sondern auch einer der Gründe für die zweite Internierung der deutschsprachigen Aus l änder war. Anspielungen auf die fünfte Kolonne bildeten den regel m äßig wiederkehrenden Refrain in allen Ges p rächen, die Käthe in d e n let z ten M onaten m it Franzosen geführt hatte, und sie hatte längst a u fgehört, sich beleidigt oder gekränkt zu fühlen. In dieser s p eziellen Unterhaltung konnte sie sich noch nicht ein m al den Luxus von Zorn leisten.
    »Nein«, entgegnete sie ruhig und legte Inge, die Anstalten zu einer heftigen Erwiderung machte, die H and auf den A r m , ohne den Blick von dem Kom m andanten zu lösen. »Es bleibt Ihnen überlassen, uns für Spione zu halten. Für die Nationalsozialisten sind wir b er eits tot.«
    Der Kom m a ndant räusperte sich.
    »Mada m e«, begann er verlegen, »ich habe im l etzten Krieg gegen Ihre Landsleute gekä m pft, und Sie sollten eigentlich noch besser als ich wissen, daß der deutsche Soldat sich nic h t an hilflosen Frauen und Kindern vergreift.«
    Die Heuchelei, die in diesen W orten lag, genügte, um ihren Vorsatz, auf gar keinen Fall die Fass u ng zu verlieren, zu erschüttern.
    »Merkwürdig«, sagte Käthe scharf, ehe sie sich eines Besseren besann. »Ich kann m i ch an französische Veröff e ntlichungen aus der Zeit des letzten Krieges erinnern, in denen behauptet wurde, daß die deutschen S oldaten belgische Säuglinge auf Ba j onetten aufgespießt hätten.«
    Das war in der Tat eines der beliebtesten Greuel m ärchen g e wesen, genau wie die deutsche Presse ih r e r seits das G e rücht in d ie W elt gesetzt hatte, die franzö si schen Fra u en würden deutsche S o ldaten a b sichtlich m it Syphilis a n stecken. M ö glich, daß der Kom m andant nie zu den Leichtgläubigen gehörte hatte, die der Geschichte m it den Belgiern a n hingen, aber sein Vorgeben, jet z t auf die zivili s tenschonende Ehre der deutschen W eh r m a c h t zu vertrauen, war angesichts der Entwicklung der letzten Jahre ein W itz. Außerdem m a c hte die Wahl seiner W orte ihr angst, denn sie bedeuteten, daß er durchaus m it d e m Vordringen der deutschen A r m ee bis zu diesem Lager rechnete.
    »Schauen Sie«, sagte Inge, die m it ih r em im Saarland e r lernt e n Französisch sehr viel weniger naiv klang als in ihrer eigenen Sprache, »wir sind doch in dieses Land geflohen, und Sie haben uns aufgenommen. Daß Sie uns hier inter n iert haben, ist schlimm für uns, aber wir verstehen, daß Sie fürch t en, einige von uns könnten Spione sein. Aber w enn Sie uns hierbehalte n , bis die W e hr m acht da ist, dann hat es nichts m it Ihrer Sicherh e it zu tun. Da könnten Sie uns genausogut gleich in einen Zug nach Deutschland setzen. Das«, schloß sie hil f los, »das ist n i cht e h renha f t , und Sie sind doch ein ehrenhaftes Land.«
    Der Kom m a ndant rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Mesda m es«, entgegnete er schließlich, » w enn es nach m i r ginge, würde ich Sie gerne weiter in d e n Süden schicken. Ganz ehrlich, hier W achen für ein Lager v o ller F rauen und Kinder zu b efehligen entspricht nicht m einen Vorstellun g en von Soldatentu m . Aber öffentliche T r ans p ort m ittel f ür Sie f r eizug e ben steht n i c ht in m einer Macht. Eine derartige Überstellung m uß von Paris aus angeordnet und organisiert werden.«
    »Dann stellen Sie den Antrag dazu, Monsieur le Commandant«, rief Käthe b eschwörend. »Bitte! Z u m i ndest für die alten Frauen und die Mütter und Kinder. Inzwischen treten schon Fälle von Ruhr auf, und die m edizinische Versorgung ist im Süden, wo keine unmittelbare Gefahr besteht und es m ehr Vorräte gibt, gewiß leichter.«
    Am Ende versprach der Kom m and a n t , den Antrag auf die Ü berst e l lung

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