Unter dem Zwillingsstern
schlagartig u m , als sie Lucy, Mrs. Nakamura und die beiden Jungen in ihrem Wohnzim m er fand. Seit Nancys Tod hatte Carla die Verbindung zu den Nak a m uras nie abreißen lasse n ; sie besaßen einen Schlüssel und küm m erten sich um ihr Haus, wenn sie in New York war. Doch sie waren viel zu höflich, um ohne vorherige Einladung oder Benachrichtigung einfach aufzutauchen, so daß Carla sofort wußte, daß etwas nicht stim m te. Mrs. Nak a m ura weinte, die Jungen schauten bedrückt drein und Lucy sehr, sehr wütend.
»Carla«, sagte sie ohne U m schweif e , »ist dieser Präsidentensohn, von dem du m i r erzählt hast, noch in Hollywood?«
Carla schüttelte den Kopf und setzte sich zu Mrs. Naka m u r a, während Lucy begann, auf und ab zu gehen, und E ddie Feiton peinlich berührt und resigniert zugleich aussah, als wisse er genau, was vorging.
»Schade«, antwortete L ucy hefti g . Sie verfügte nicht über Nancys fragile Schönheit, sondern glich m it ihrem flächigen Gesicht und den sch m alen Augen eher, wie sie freimütig zugab, dem Mann im Mond, doch ihre n atü r liche F r öhlichk e it u nd Lebenslust verliehen ihr im allge m einen eine große Anziehungsk r aft. Im Mo m ent allerdings war davon nichts zu spüren. Sie sprühte vor Zorn. »Sonst hätte ich dich nä m lich gebeten, eine Audienz zu arrangieren, da m it ich fragen kann, wo m it wir das verdient haben!«
Mit einem Ruck zog si e ei n en a m tlich aussehenden Brief aus ihrer Handtasche. »Den hat P apa heute bekom m en. Er m uß innerhalb einer Woche sein Haus und sein Geschäft verkaufen, und dann bringt m an uns uns alle in ein Internierungslager in Arkansas. W eil die Sicherheit des Landes es so verlang t , steht hier. A ußer Ma m a sind wir alle im Land geboren u n d a m erikanische Staats b ürger, d as d achte ich jeden f alls, a ber j e tzt ist das nicht mehr so, jetzt sind wir ›von japanischer Abkunft‹.«
»Pearl Harbor war ein Riesens c hock«, sagte E ddie Feiton begütigend, der sich den Naka m uras gegenüber Nancys wegen immer etwas unbehaglich fühlte, obwohl Carla ihnen nie erzä h lt hatte, daß es sich bei ihm um den M a nn handelte, in dessen Z i m m er sie gestorben war. »Es ist eine Maßnah m e, um d i e Bevölkerung zu beruhigen, weil sie eine japanische Invasion an der Westküste befürchtet.«
Einer der Jungen räusperte sich. »Aber wir sind A m erikaner«, sagte er. » W ir würden eine Invasion genauso bekämpfen wie jeder andere. Ich und m ein Vetter Cary haben uns sofort nach Pearl Harbor freiwillig ge m eldet, und wissen Sie, was uns der Rekrutierungssergeant gesagt hat? W i r sind doch nicht verrückt, wir wollen keine Japse!«
» W as ist m i t den Italie n er n ?« st ieß Lucy hervor. »Oder den Deutsche n ? Die werden nic h t interniert, nicht wahr? Oder hast d u auch so einen Bescheid bekommen, Carla ? «
»Nein. Ich darf nach acht Uhr abends nicht mehr ausgehen und muß m i ch ein m al i m M onat auf der nächsten P oliz e istation m elden, das ist alles. Dergleichen Besch r änkungen sind im Krieg verständlich, aber… bist du sicher, daß ihr das nicht falsch verstanden habt, Lucy? Laß m i ch den B r ief m al lesen.«
»Nichts haben wir falsch verstanden«, m urrte Lucy, doch sie reichte Carla den Brief.
Sie hatte recht. In dem Schreiben stand un m i ßverständlich, daß Naka m ura, T. sich m it seiner Ehefrau, Naka m u ra, M. seinen Töchtern und seinen Söhnen in einer Woche an der Bahnstation (Beschreibung lag bei) einzufinden h a be, um nach C a m p Rohwer, Arkansas, transportiert zu werden, wo er aufgrund der Notverordnung betreffs japanischer Staatsbürger und a m erikanischer Staatsbürger japanischer Abstammung für den R e st des Krieges zur Sicherheit des Landes und seiner eigenen S i cherheit bleiben werde.
»In der Schule haben sie uns angespuckt«, sagte der jüngere Bruder plötzlich. »Wegen Pearl Harbor. I c h hab geschworen, daß wir da m i t nichts zu tun hätten, daß ich noch n i e in m einem Leben in Japan war, aber die anderen Jungen haben nur gesagt, dann eben unsere Vettern und Onkel, die hätten die Leute in P earl Harbor u m gebracht.«
Carla t a t ihr Möglich s t e s, um M r s. Nak a m ura zu trösten und die jüngeren Naka m uras zu beruhigen, doch sie verstand es selbst nicht. Soweit sie wußte, hatte sich bisher keine Feindseligkeit gegen die Deutschen unter den europäisc h en Flüchtlingen erhoben, und sie konnte aus eigener Erfahrung bestäti g en, daß
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