Unter dem Zwillingsstern
ihr dergleichen nie begegnet war. Selbst Amerika n er wie Eddie, die dazu neigten, alle in Deutschland lebenden Deutschen f ü r Nazis zu halten, zeigten den hier lebenden gegenüber kein ant i deutsches Ressenti m ent. Was die Regierungsverordnungen anging, sie schränkten ihre persönliche Freiheit et w as ein, und sie war nicht gerade entzückt darüber, nach acht Uhr nicht m ehr ausgehen zu dürfen oder künftig für Re i sen nach New York um polizeiliche Erlaubnis ersuchen zu m üssen, aber sie verstand es und nahm e s nicht wei t er übel. In Kriegszeiten galten andere Regeln. Es war der Preis dafür, daß sie staatenlos geblieben war; diejenigen Deutschen wie Ernst Lubitsch, die schon längst die a m erikanische Staatsbürgerscha f t besaßen, waren von den Verordnungen nicht betroffen.
»Das ist so lächerlich«, sagte s i e aufgebracht, nachdem die Nakamuras wieder gegangen waren und sie ihnen versprochen hatte, einen anständigen Käufer für ihr Haus zu finden, damit sie es nicht zu einem Schleuderpreis veräußern m ußten; es sprach sich, m e i nte Lucy erbittert, nä m lich schnell in der Bevölkerung heru m , daß d i e Japaner keine andere W ahl hatten. »Es hat den Franzosen nichts, aber rein gar nichts gebracht, die Deutschen zu internieren, es hat nur einer Menge Menschen Freiheit und Leben gekostet. Selbst wenn die Japaner m orgen hier angreifen, welche großen Sabotageakte sollten Leute wie die Naka m uras denn begehen, und weswegen? Das ist ihre Hei m at.«
Eddie schlenderte zu d e r Glastür hin, die zum G a rten hinausführte.
»Hast du gehört, wie die japanische A r m ee sich in China verhält?«
»Dafür können aber doch die Nak a muras nichts! Ich habe auch gehört, daß die deutsche A r m ee in Rußland Zivilisten zu Hunderten erschießt, und m i ch hat noch kei n er dafür verant w ortlich ge m acht.«
»Du verstehst es nicht«, entgegn e te Eddie, und sein Ton w ar frei von Ironie oder Spott, » w eil du aus Europa s t ammst. Ihr führt dort ständig Krieg gegeneinander, und a l le paar Jahrzehnte ver w üstet ein Land das andere. Hier ist das nic h t m ehr seit dem Bürgerkrieg geschehen, und die Anwesenheit der l e tzten ausländischen Truppen auf a m erikanischem Boden lie g t sogar n och viel lä n ger zurück. Seit dem Unabhängigkeitskrieg gab es nichts m ehr, was m an eine Invasion hätte nennen können. Deswegen war die Bombardierung von Pearl Harbor auf eine Art furchterregend, die ihr E u ropäer einfach nicht begreift. Die Leute haben Angst, und sie wollen Regierungs m aßnah m en sehen, m it denen sie etwas anfangen können.«
»Aber warum dann nur die Japaner und nicht auch wir ? « Sie erinnerte sich an Nancys Be m e r kungen über Rassismus und daran, Nancy oft für übere m pfindlich in die s em Punkt gehalten zu haben. Doch nun fand sie keine andere Erklärung, und Eddie bestätigte ihre Vermutung.
» W eil m an Asiaten ihre Herkunft ansieht«, erwiderte er direkt.
»Euch nicht.«
In den n äc h sten Ta g en kam ihr der Gedanke, eine Petition zu ve r fassen, in der Hoffnung, die Na m en von Berühmtheiten würden vielleicht etwas ausrichten, doch nur wenige ihrer Bekannten, die ihre japanischen Gärtner oder Chauffeure im allgemeinen bereits entlassen hatten, waren bereit, sie zu unterzeichnen. »Um H i mmels willen«, sagte Liesl Frank zu ihr, »wir sind hier selbst nur geduldet. W i r haben kein Recht, uns zu besch w eren, wir sind Gäste, und Gäste sagen dem Gastgeber nicht, wie er sich zu verhalten hat.«
»Meine Liebe«, m einte Bela Lugosi, »ich unterschreibe gerne, aber ich halte es f ür sinnlos. An wen willst du die P e tition ü b erh a upt schicke n ?«
»Paul hat immer noch die Adresse von Roosevelt Juniors Privatwohnung in Washington.«
Mut m aßlich war es sinnlos, aber sie konnte nicht vergessen, welche Folgen die Internierung als fei n dliche Ausländerin für Kathi gehabt hatte. Der Vergleich hinkte, das wußte sie. Doch ein Unrecht da m it zu entschuldigen, daß irgendwo viel größeres Unrecht geschah, hinkte ebenfalls. Am Ende s c hickte sie i h re Petition m it f ünf N a m en ab, brachte Karloff dazu, d a s Haus der Naka m uras zu kaufen, was insofern eine Erleichterung w ar, als ihre eigenen finanziellen Verhältnisse wegen des European Film Fund den Erwerb für eine faire Summe nicht ohne Schwierig k eiten zugelassen hätten, und half den Nakamuras beim Packen. Nicht, daß sie viel m it sich nehm e n durften. Selbst Mrs. N aka m
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