Unter dem Zwillingsstern
er p l ötzlich Heinrich Fehrs fahles Gesicht m it dem rötlichen Bart vor s i ch, seine zu p ackenden, gi chtknotigen Hände, und es traf ihn wie ein Blitz. Nic h t, daß Carlas Vater seine Geschäfte nicht selbst geführt hätte, soweit Robert bekannt war, aber es bestand eindeutig eine Verwandtschaft zwischen ihm und dem Herzog. Er erinnerte sich an das Abendessen vor all den Jahren, und wie Heinrich Fehr m it Dada gesprochen hatte, voll m ü hsam unterdr ü ckt e r Feindseligk e it. So m ußte der Herzog m it Süß reden, nach dem Tod von Nae m i, wenn er sich s c huldig fühlte, aber den anderen dafür haßte. Und der Gesichtsaus d ruck von Heinrich Fehr, als Carla im Kleid ihrer Stief m utter auf ihn zuging, das war der Ausdruck für den Herzog, wenn Karl Alexander k l ar wur d e, wie Süß sich an ihm gerächt hatte. Robert hatte im m er b e fürchtet, D iet e r in die s er Szene nicht gewachsen zu sein, aber nun hatte er den S chlüssel.
Es bedeutete allerdings auch, daß er seinen Pla n , Carla zu seinem Debüt einzuladen, aufgeben m ußte, und das kam ihn schwer an. Er wollte, daß sie ihn wür d igte und be n eidete, er w ollte wissen, was sie von Jean- P ierre und Dieter hielt, er wollte Andrea, m it der er in der Tat he f tig f lirtete, m it ihr ei f ersüc h tig m achen. Doch sie würde das Vorbild für seinen Karl Alexander erkennen, und das konnte er ihr nicht antun.
Robert zog nicht in Erwägung, s onst noch je m anden einzuladen. Dadas Anwesenheit hätte ihn verlegen g e m acht; er würde vor Scham im Boden versinken, wenn Dada Dieter oder Jea n -Pierre die Geschichten von seinen W u ndertaten als Kind erzählte, angefangen m it dem Satz »Der W unsch, Medizin zu neh m en, ist eines der herausragenden Merk m ale der Menschheit«, d e n er als Zweijähriger bei jenem ersten Besuch sei n er Mutter in Dr. Goldmanns Praxis während ihres W ochenendausflugs nach München gesagt haben sollte. Diese Anekdote fand früher oder später unfehlbar ihren W eg in alle von Dadas Unterhaltungen m it Fre m den. Außerdem glaubte Dada im m er noch, er sei auf Reisen; Robert hie l t es für taktisch klüger, erst nach seinem Debüt von dem Engage m ent im Theater 22 zu berichten.
Aus diesem Grund war es auch unmöglich, Max und Evi K e rn einzuladen. Es wäre ein S chlag ins G esicht von Dada Gold m ann, den Robert nicht über sich brachte. Aber er schrieb Evi Kern, die eine fleißigere Korrespondentin als ihr vielbeschäftigter Gatte war, von dem großen Ereignis. Seltsa m , die F r au seines Schuldirektors mochte er, er hatte sie nie verabscheut, ganz im Gegensatz zu Hetty dem Drachen, von dem sich Dada zum G l ück im letzten J ahr h atte s cheiden lassen. Am Anfang seines Aufenthalts in Lubeldorf war er etwas eifersüc h tig auf Frau Kern gewesen, aber s i e v erhielt sich so gleichbleibend freundlich ihm gegenüber, daß es unmöglich war, diese Haltung nicht zu erwidern. Ihre b e iden Kinder allerdings… Die beiden Gören hatten m ehr als ein m al d e utlich ge m a cht, wie se h r sie es übelnah m en, daß Max und Evi ihn gewisser m aßen adoptierten.
Ob Max wohl jetzt, wo er Lubeldorf verlassen hatte, einen neuen Protege unter seinen Schülern fand? Carla hatte ihn ein m al mit seiner Heldenverehrung für seinen Direk t or aufgezogen, aber sie war unver m eidlich gewesen. Papa und Dada Gold m ann hatten ihn, jeder auf seine Art, vergöttert, aber vor allem brauchten sie ihn. Max brauchte ihn nicht, und das m a c hte es zu einer Heraus f orderung, seine Zuneigung zu erwerben und zu erhalten. Er war nicht selbst m itleidig, wie Papa, oder gluckenhaft, wie Dada, und vor allem wußte er nicht das geringste über die verstorbene Bar b ara König. Er war einfach nur ein int e lli g ent e r, hu m orvoll e r Mann m it einer Aut o rität, d i e m an respektieren konnte, ohne sie aufgezwungen zu bekom m en. Eigentlich recht ähnlich wie Dieter…
An dieser St elle hi e lt R o bert inne und wandte sich schleunigst anderen Dingen zu. Ihn schauderte vor den I m plikationen dessen, was sich da gerade vor ihm abgezeich n et hatte.
An dem Tag der Pre m iere v e rsagte ihm erst m a ls der App e tit. E r brachte sein Frühstück nur m it M ü he hinunter. Der Vor m ittag b estand aus einer letzten Generalprobe, weil am Abend zuvor der E i nsatz der Beleuchtung nicht im m er geklappt hatte, und Rob e rts Versprecher, »Salo m on h a tte tausend Leiber« statt »tausend Weiber«, sorgte für nervöses Gelächter im Ense m
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