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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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schlicht und e i nfach eine neue Herausforderung. Dieter beim Regieführen zu beobachten war, nachdem d a s Stück ein m al lief und die Kritiker ihn wieder »be m erkenswert« gefunden hatten, wesentlich interessanter, als seine Rolle zu spielen.
    Er hatte n i cht vergesse n , wie er selbst bei all den Schulaufführungen die Möglichkeit genossen hatte, seine eigenen Vorstellungen von einem Stück durchzusetzen, nicht die von je m and andere m . Evi Kern hatte ein m al, als sie s ich außerhalb s einer Hörweite glaubte, zu Max gesagt, es sei ihrer Meinung nach unhei m lich, daß die anderen Kinder sich v o n einem G l eichaltrigen so widerspruchslos heru m ko mm andieren ließen, was Max zum Lachen brachte und zu der Be m erkung veranlaßte, die Kinder hielten Robert ohnehin für einen verkleideten Erwachsenen. In W ahrheit war es noch etwas ei nf acher. Max versuchte, in Lubeldorf ohne die herkö mm lichen Schul m ethoden auszukommen, daher war Robert der einzige gew e sen, der sich in der The a tergrup p e s e inen M i tschülern gegenüber wie ein Herrscher benahm, d e m gehorcht werden m ußte, und sie hatten darauf reagiert.
    Es war Robert durchaus klar, daß es bei ei n er ric h tigen T h eatergruppe nicht so einfach werden w ü rde, und daher beobachtete er Dieter sehr genau und fragte ihn aus, wann im m er si ch die Gelegenheit dazu er g ab. Als das Theater 22 an die Vorbereitungen für Hamlet ging, hatte er allerdings doch wieder eine größere Rolle er w artet und war enttäu s cht gewe se n, als er sich auf dem Besetzun gs zettel als Geist wiederfand.
    » W arum kann ich nicht Laertes sein ? « begehrte er auf.
    » W eil das E nse m ble es übelneh m en würde«, entgegnete Dieter ruhig. »Ich habe es dir von Anfang an gesagt, wir haben hier keine Schaustücke für einen Schauspieler, sondern ein Ense m ble, und in diesem En s e m ble bist du neu. Im übrigen könnte dir j e tzt nic h ts Schlim m eres passieren als eine Reihe von Hauptrollen. Du würdest alles verlernen, was wir dir beige b racht haben, und nur noch dich selbst produzieren.«
    Jean-Pierre war auch nicht nachgiebiger. »Es gibt keine kleinen Rollen, nur kleine Schauspieler.«
    Robert dachte rebellisch, daß Hamlet für J ean-Pierre, der den Prinzen verkörpern würde, sehr wohl ein Schaustück war.
    »Ich kann m i r nicht vorstellen, daß du eine kleine… eine kurze Rolle übernimmst«, b e merkte er aufsässig.

Jean-Pierre lachte. »Oh, aber ich h a be es g etan, als ich in d einem Alter war, und glaub m i r, wenn m a n bereits als Kind im Zentrum der Auf m erks a m keit gewesen ist, ko mm t einen das doppelt hart an. Außerde m , m o n eher, wäre die Versu c hung für m i ch sehr stark, dich in der Duellszene wirklich u m zubr i ngen, wenn du Laertes spieltest und nach der Uraufführung wieder sch l a m pig wirst. Als Geist dagegen bist du vor m i r sicher.«
    Der Tadel war fein, aber unüberhörbar. Die Schwachstelle allerdings auch.
    »Bin ich das ? « fragte Robert m it hochgezogenen Brauen zurück, borgte sich einen der deutlichen Blicke des Herzogs aus und nutzte Jean-Pierres m o mentane Sprachl o sigkeit zu einem bühnenreifen Abgang. Kurz danach bot ihm Jean-Pierre an, bei den Entwürfen für d a s Bühnenbild zu helfen, m it dem K o m m entar, m an dürfe ihn wohl nicht so beschäftigungslos heru m laufen lassen. Die Arbeit fesselte Robert, der immer gerne gezeich n et hatte u n d in diesen W ochen m ehr über Perspektive und die W i rkung von Farben auf die Stimmung einer Szene lernte als in all den Jahren in der Schule. Die Quittung für seine Provokation erh i elt er erst, als sich die Hamlet-Spielzeit ihrem Ende näherte und er glaubte, daß Jean- P ierre sie längst vergessen hätte.
    Hamlet war ein weiterer Triu m ph für das Theater 22 gewesen und das er s te M al, daß Robert Di e ter u nd Jean-Pi e rre gleic h z e itig auf dem Höhepunkt ihrer F ähigkeiten e r lebte. Die Szenen, in denen sie als Claudius und Hamlet aufeina n derstießen, waren unvergeßlich, aber Robert begriff auch, was Die t er m it dem Ense m ble gemeint h a tte; die Spannung ließ nicht nach, a u ch wenn keiner von ihnen beiden auf der Bühne stand. A ußerdem hatte es Dieter fertiggebracht, die Pausen zu umgehen, die sonst bei jedem Szenenwechsel von Ha m l et entstanden, während die Dekoration verändert werden mußte; er nutzte die B eleuchtung und die von J ean-Pierre vorgeschlagenen, als Säulen fungierenden schiebbaren Trennwände, um den

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