Unter dem Zwillingsstern
er dich in Frühlings Erwachen sieht.«
Abrupt legte Robert seine Gabel nieder. »Ich verstehe«, erwiderte er eisig und wunderte sich über d e n Klu m pen in seinem Hals. »Ihr wollt m i ch loswerden.«
Er verstand selbst nicht, warum das so weh tat, denn er hatte ganz gewiß nicht geplant, den Rest sei n es Lebens in diesem kleinen Theater u n ter la u t er h i nt e r wäldl e ris c hen Schweizern zu verbringen. W er waren sie schon, vor allem Jean-Pierre m it seinem aufgesetzten Franzosentum und seiner hessischen Herkunft? Es war ohnehin erstaunlich, daß er es hier so lange ausgehalten hatte.
»Glaub nicht, daß ich nicht weiß, weswegen«, fuhr er so bösartig wie m öglich fort. »Du b i st eifersüchtig auf m i ch, wegen des Herzogs und weil du Angst hast, Dieter kö n nte dich m e inetwegen f allenlassen.«
»Grundgütiger«, sagte Jea n -Pierre. »Du bist noch jünger, als ich gedacht hatte. Achtzehn war m eine letzte Schätzung, aber ich fürchte, das war zu hoch gegriffen.«
»Zu m indest habe ich es nic h t nötig, ein Toupet zu tragen.«
»Mein lieber junger Freund«, Jean-Pi e rre lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Ar m e ineinander, »laß dir versichern, daß wir hier alle nur das Beste für dich wollen.«
»Deswegen werft ihr mich auch hinaus«, unterbrach Robert und war entsetzt, wie gekränkt statt sarkastisch sich das anhörte.
Jean-Pierre blieb un b eeindruckt. » G anz richtig. Was den beruflichen Aspekt angeht eine Saison lang bist du ein Phäno m e n. In der nächsten werden dich d i e Kriti k er zerreißen u nd alle n u r auf dem Refrain heru m hacken, daß du schon ein m al besser warst, und du wirst es uns übelneh m en, wenn wir d i ch nicht je d es m al als Sensation präsentiere n . Aber dazu kom m t, d a ß du eine wandelnde Granate bist, die einem jederzeit in der Hand explodieren kann.«
Robert rümpfte verächtlich die Nase und öffne t e den Mund zu einer hitzigen Entgegnung, doch Jean-Pierre hob die Hand. Seine dunklen Augen ließen Robert nicht l o s, als er hinzufügte: » W eder Dieter noch ich sind völlig im m un gegenüber der Tatsache, daß uns ein reizvoller junger Te d dybär vor die Tür geschneit ist, der sich für Josef Kainz hält. Aber du, m on ehe r , bist schlicht und einfach noch nicht reif dafür, daß m a n sich m it dir ei n läßt. Du kokettierst, und du suchst einen Vater, und beides z u sammen ist eine verhängnisvolle Ko m binati o n, auf die m an sich nicht ei n l äßt, wenn m an seinen Verstand noch beisammen hat.«
»Ich suche keinen Vater!« stieß Robert hervor, be m erkte, daß er fast schrie und die übrigen Gäste sich zu ihm umdrehten, und senkte seine Stimme etwas. » V äter sind das einzige, von dem ich wirklich genug und immer viel zuviel hatte.«
Jean-Pierre legte ihm eine Hand auf den Ar m , beruhigend, und zu seinem leicht spöttischen Tonfall trat ein gewisses Mitgefühl.
»Aber offenbar war keiner von ihnen wirklich zufriedenstellend, und das ist das Proble m . W i r können m it einem Kind zurechtko mm en, das einen Vater sucht, oder m it einem jungen Mann auf der Suche nach einem Liebhaber, aber ganz bestim m t nicht m it beiden gleic h zeitig . «
So auseinandergenommen und sezie r t zu werden war unerträglich.
»Leck m i ch«, sagte Robert, zitternd vor W ut.
»Das werde ich, früher oder späte r «, entgeg n ete Jean-Pierre lächelnd. » W enn du erwachsen geworden bist, ko mm e ich auf das Angebot zurück. Und jetzt iß deinen Teller auf, der Kellner wartet schon m it der Suppe. Oder fühlst du dich nicht in der Lage, ein kultiviertes Abendessen durchzustehen und dich danach wie ein zi v ili s ierter Mensch zu verabschieden ? «
In Roberts Blick lag reine Mordlust, ab e r e r st ieß s e ine G abel in das l e tzte gr oße Salat b l a tt.
7. K APITEL
Eine l e ichte Brise str i ch über die Menschen hin w eg, die durch d e n Englischen Garten spazierten, und löste die war m e, dumpf i ge So mm erluft etwas auf. Man konnte das Gras riechen, das bald wieder geschnitten werden m ußte, dachte Käthe abwesend, während sie neben Martin Gold m ann am See entlangspazierte. Er erzählte ihr m it einer Mischung aus Stolz und Frustration, daß Robert nach einer glanzvollen Saison in der Schweiz nun wieder nach München zurückkom m e, hoffentlich gesättigt an theatralischen Erfahrungen. Zu m i ndest erwähne er in seinem l e tzten Brief nichts von einer neuen Verpflichtung, und daraus
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