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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ährend sie m i t Rainer König über einen W itz lachte, stocherte Carla in ihr e m Teller herum und hörte nur halb Herrn Königs letzter Anekdote zu. Die Leute am Tisch zu beobachten war spannender, denn außer Anni benahm sich nie m and wirklich unbefangen.
    Marianne aß genauso zögernd und ungern wie sie und zuckte zusam m en, w e nn das Gelächter besonde r s laut wurde, a b er da ran war nichts Neues. Neu waren dagegen die verstohlenen Blicke, die sie Dr. Gold m a nn zuwarf, wenn sie dachte, er würde es nicht be m erken, und die stets von einem hastigen U m schauen in Richtung ihres Vaters begleitet wurden. D r . Gold m ann schien nichts davon zu be m erken. Zuerst fühlte sich Carla gesch m eichelt, weil er einen betr ä chtlichen Teil seiner Auf m e r ksa m keit ihr wid m ete und nicht in dem herablassenden, gönnerhaften Tonfall s p rach, den die m eisten Erwachsenen, die sie kannte, Kindern gegenüber anschlugen nur Robert gegenüber nicht, der ärgerlicherweise bereits jeder m ann erfolgreich dazu gebracht zu haben schien, ihn ernstzuneh m en.
    Dann k a m ihr der Verdacht, daß er in W i rkli c hkeit nur l ä ngeren Unterhaltungen m it ihrem Vater ausweichen wollte. Sie beschloß, es auf die Probe zu stellen, und wu r de einsilbig. Und in der Tat, Dr. Gold m ann stürzte sich nun in eine D i skussion m it Fräulein B rod, die neben ihr saß so weit wie m öglich von Heinrich Fehr entfernt. Fräulein Brod war an diesem Tag jedoch sehr bedrückt und kurz angebunden, und Dr. Goldmann sprach bald m it Robert, dann wieder m it Marian n e, d i e bei d i esen Gelegen h eiten auf die Tisch d ec k e starrte, dann m it Anni. Nur nicht m it dem Gastgeber, den es seinerseits auch nicht zu ei n em Gespräch zu drängen schien. Und obwohl Rainer König und Martin Gold m a nn doch angeblich Freunde waren, wichen auch sie ei n ander aus.
    All das war wesentlich interessant e r und rätselhafter als alles, was laut ausgesprochen wurde. »Kneif die Augen nicht so zusammen«, flüsterte Robert, der an ihrer anderen Seite saß, ihr zu, »setz deine Brille auf.«
    Sie wollte g erade etwas über die z w eite Portion Sauerbraten sagen, die er vorhin verlangt hatte, als i h r Vater sich in seinem Stuhl zurücklehnte und, offenbar auf eine F r age Mariannes, befriedigt m einte: »Nun, nach dem heutigen T ag wird das Land wenigstens nicht m ehr von einem jüdischen Bolschewisten regiert, und die Arbeitszeitverkürzung wird wohl auch wieder zurückgenom m en.«
    Fräulein Brod, die Carla gerade d i e W asserkaraffe gereicht hatte, zuckte s i c h tlich zusammen, aber Carlas Vater sah nicht sie an. Seine B e m erkung war offenb a r für einen anderen Zuhörer besti mm t gewesen.
    »Gold m ann, alter Junge«, fuhr er fort, »Sie waren doch an der Front, was m i ch übrigens sehr überr a scht hat, wo die verstorbene Frau König doch so gegen den Krieg eingestellt war. Als Soldat müssen Sie doch auch erleichtert ü b er das sein, was heute geschehen ist.«
    An der Ta f el he r rsc h te Stille. Nur Anni lachte noch et w as über Rainer Königs letzte Be m erkung, dann fiel auch ihr auf, daß etwas nicht stimmte. Dr. Gold m ann legte sein Besteck nieder, nahm die Brille ab, die er trug und die ihn Carla sofort sy m pathisch ge m acht hatte, dann sagte er mit sei n er leisen, präzisen Stimme:
    » W enn der bayerische Ministerprä s ident e r m ordet wird, i s t Betro f fenheit wohl das einzig ange m essene Gefühl.«
    »Oh, ich w e iß nicht«, erwiderte H e inrich Fehr gedehnt. Seine Augen hatten sich verengt, und er starrte Dr. Gold m ann direkt ins Gesicht. » Ich f ür m einen Teil war e rleichtert. W ir wollen d o ch keine russischen Z ustände, oder ? «
    Carla sc h aute zu Robert, aber er w u ßte ansc h ei n end genaus ow enig wie sie über die offene Feindseligkeit zwischen den beiden Männern, die nun überdeutlich geworden war. Dr. Gold m a nn setzte seine Brille wieder auf u nd schloß k urz die Augen. Als er sie wieder öffnete, s agte e r :
    »Daß Sie den Tod eines Menschen g elege n tlich als wünsch e nswert betrachten, ist m i r bekannt, Herr Fehr.«
    » W as«, fragte Heinrich Fehr und stand langsam auf, »soll das heißen ? «
    Dr. Gold m ann kam nicht dazu zu antworten. Robert sprang auf.
    »Du m eine Güte«, sagte er, »es ist schon so spät, und wir haben Tante Gisela doch versprochen, noch ein m al nach ihr zu sehen.«
    Er wandte s ich an seinen Vater. »Du weißt doch, Papa, sie wartet auf uns.« Dann drehte

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