Unter dem Zwillingsstern
n Fre m den verwandelt hatte. Es war natürlich die Schuld von Carlas Mutter gewesen. In Gedanken fo r m te sie den N a m en, der in diesem Haus seit Jahren nicht m ehr ausgesprochen wurde, Angharad, und hörte sich m it verstörter Sti mm e fragen: »Was für ein N a m e ist das überhaupt?«
Und nun konnte sie Angharad nicht ein m al m ehr m it gutem Gewissen hassen; sie hatte ihr tausend m al den Tod gewünscht, aber als die Frau tatsächlich gestorben war…
Carla hatte ihr Gebet tadellos m itgesprochen, doch auch nachdem sie sich aber m als bekreuzigt hatt e , m achte sie keine Anstalten z u gehen.
»Dr. Goldmann war früher schon e i n m al hier, stim m t ’s ? « fragte sie und wunderte sich nicht, als Marianne sofort erstarrte.
»Über diese Zeit sprec h en wir nic h t«, sagte ihre Schwester steif und hoffte, daß der Hinweis genügte. Carla stellte nie m als Fragen über Angharad, was seltsam und fa s t unnatürlich war, wenn m an es recht bedachte, aber unter den g e gebenen U m ständen für alle Beteiligten das Beste. Und in der Tat, das Mädchen schwieg. Sie hatte nun die Bestätigung für ihre Ver m utun g en. Eigentlich konnte sie gehen, aber sie brachte es nic h t fertig. Sie wünschte sich plötzlich, Robert wäre hiergeblieben, um sie m it seiner Angeberei von der Erinnerung abzulenken, die sie unterdrückte, s eit Dr. Gold m ann ihr e m Vater geantwortet hatte.
Jeder nahm an, daß sie sich überha u pt nicht an ihre Mutter erinnerte. Fast jeder, dachte Carla und zitterte.
»Mir i s t k a lt«, sa g te si e , weil Ma ri anne s ie m it g e runzelt e r Stirn musterte.
»Kein W under. Du trägst keine Schuhe«, erwiderte ihre ältere Schwester und seufzte. »Von dieser unsäglichen Person gesunden Menschenverstand zu erwarten ist wohl zuviel verlangt, aber m an sollte m einen, daß wenigstens deine Erzieherin auf solche Dinge achtet.«
Carla wußte, daß Marianne es gut m einte, daß sie m it solchen Äußerungen ausdrückte, w as ihr an M i tgefühl m öglich war, und daß es nun das beste wäre, ein f ach zu sch w eigen, zu nicken oder zu gehen. Aber ihr Widerspruchsgeist, das unwiderstehliche Bedürfnis, Marianne zu reizen, und das ungute Gefühl, das sie gehabt hatte, als ihr Vater Anni am Ellenbogen packte, t r ieben sie dazu, das Gegenteil zu tun.
»Anni m eint, Hausschuhe werden bald ganz und gar überflüssig werden«, verkündete s i e fröhlich u n d völlig un w ahrheitsge m äß, »und daß wir alle bar f uß heru m lau f en sollten, wenn es wär m er wird, m it Ringen an den Zehen, wie die F r auen in Indien.«
»Diese Frau hat einen schlechten Einfluß auf dich«, sagte Marianne kühl, »und es schickt sich nicht, sie bei ihrem Vo r na m en zu n e nnen.« Der seltsa m e, gele g entliche Ein k la n g zwischen ihnen war e n dgültig vorbei, aber auch die Bedrü c kung, die Carla seit dem Abendessen geplagt hatte.
»Dir würden Ringe an den Zehen auch stehen, Marian n e«, entgegnete Carla und bereitete ihren R ü ckzug vor. »Da m it du m ehr wie ein Mensch und weniger wie eine Nonne ausschaust.«
D a m it verschwand sie; erst viel später kam ihr der Gedanke, daß diese kindische Auseinandersetzung das Ihre dazu beigetragen hatte, die Katastrophe, die folgte, m it auszulösen.
Robert hing nicht über m äßig an Häusern und Wohnungen, dazu war er in seiner Kindheit zu oft u m gezogen, aber er fühlte sich in dem Hotel wohl, in dem sich sein Vater seit dem Winteranfang einquartiert hatte, und er verstand den Ingrimm nicht, m it d e m Martin Gold m ann die Tapeten m it ihren v e rblaßten Lilienzeichnungen m uste r t e.
»Ihr könnt un m öglich hier bleiben«, stellte D r . Gold m ann fest.
»Der Junge braucht ein richtig e s Zuhause, nicht ein Hotel!«
Rainer König trug seinen üblichen, gut m ütig erheiterten Gesicht s ausdr u ck zur Schau, während er sich in seinem Sessel zurücklehnte, aber anders als sonst hat t e seine Miene etwas Angestrengtes.
»Ihm gefällt es hier. Mir auch. D i e Z i m m e r m äd c hen vergöttern ihn. Und«, schloß er m it einer un m ißverständlichen Betonung, »er ist m ein Sohn.«
Robert zog eine Gri m asse und b e gann, die Lilien an der Wand zu zählen, um weder seinen Vater noch Dada Gold m ann ansehen zu müssen. Oft hatte es seine Vorteil e , im Mittel p unkt ei n es s t ändigen Wettbewerbs zu stehen, vor alle m , wenn es darum ging, die Erlaubnis für irgend etwas zu bekommen, aber he u te, nach dem scheußlich
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