Unter Den Augen Tzulans
Junge die Räder.
Mit einem letzten Handgriff setzte er den Mast mit dem Querholm ein und entfernte die Lederriemen.
Lachend sprang er auf den Sitz, lehnte sich nach hinten und zog das Flickensegel aus Leinen in die Höhe. Augenblicklich blähte sich der Stoff auf und ließ den Landsegler anrollen. Immer schneller wurde das Gefährt und jagte mit dem Jungen den menschenleeren Strand hinunter.
Eiskalte Meeresluft pfiff ihm um die Nase und ließ ihm recht schnell das Gesicht wie taub erscheinen, aber der Rausch der Geschwindigkeit machte die Unannehmlichkeiten eines Segeltörns an einem Wintertag vergessen.
Nach etwa fünf Meilen wendete er und kreuzte gegen den Wind zurück nach Bardhasdronda.
Auf halber Strecke schoss ein Segler an ihm vorbei, und er erkannte die verhasste Gestalt von Byrgten. Sein Kontrahent griff während der Fahrt in den nassen Sand und schleuderte ihn Lorin ins Gesicht. »Fang mich, Fremdländler!«
»Das kannst du haben!«, schrie Lorin wütend hinterher und gab sich beim Einsatz der Leinwand alle Mühe, den Fischersohn einzuholen.
Doch dessen Gefährt war natürlich wesentlich besser gebaut und aus den besten Materialien hergestellt. Lorin hatte das Nachsehen, und während Byrgten schon am Tor der unteren Kaimauer stand und das Segel reffte, kam der Junge erst an.
»Das war wohl nichts, was, Winzling?«, höhnte er. »Mit dem schlechten Ding wirst du es niemals schaffen, mich zu schlagen.« Seine Hand legte sich auf das Segeltuch. »Beste Qualität. Übrigens gekauft mit dem Geld, das wir dir damals abgenommen haben.«
Lorin sprang auf, lief zu dem Jungen hin und stemmte die Hände in die Seite. »Du bist allein, Byrgten, hast du das schon vergessen?«
»Nein.« Seine Fußspitze zuckte nach oben und beförderte Sand gegen Lorin. Die Körner trafen ihr Ziel, und der Knabe konnte nichts mehr sehen. »Pech, was?«, sagte sein Gegenspieler, und schon traf ihn die Faust in den Magen.
Keuchend nahm er die Fäuste hoch und deckte seinen Kopf, wie es ihm Waljakov gezeigt hatte, deshalb blieb der nächste Hieb des Fischersohns wirkungslos.
In Erwartung des nächsten Angriffs lauschte Lorin. Aber Byrgten machte sich lachend über seinen Landgleiter her, wie ihm das Krachen und Splittern des Holzes verriet. Immer noch blind, versuchte er, sein Gefährt zu verteidigen, aber der andere Junge wich ihm mit Leichtigkeit aus.
Als er endlich wieder etwas sah, war Byrgten samt seines Gefährts schon auf und davon.
»Beim nächsten Wiedersehen schlage ich dich windelweich, hörst du?«, rief Lorin zornig die Gasse hinunter. Mit Tränen der Wut betrachtete er seinen zerstörten Segler.
»Kommst du mit?«, fragte ihn eine Stimme von oben. Lorin erkannte Blafjoll, der auf ihn herabschaute. In seiner Rechten hielt er eine Harpune. »Einer der Feuertürme hat einen verirrten Wal gemeldet. Du kannst mich in meinem Boot begleiten. Es ist nicht gefährlich. Wir werden nur helfen, den Fisch an Land zu rudern.«
Lorin schüttelte seine Gedanken ab. Sofort war seine Neugier geweckt. Schon immer hatte er gehofft, seinen großen Freund bei einem seiner Jagdausflüge zu begleiten. Zwar hatte Matuc es ihm verboten, aber in diesem Moment war es dem Knaben reichlich gleichgültig. Er würde endlich eines dieser riesigen Tiere aus der Nähe sehen.
»Ich komme!«, rief er fröhlich und rannte los. Gemeinsam gingen sie zu einem der großen Ruderboote, in dem zwanzig Mann sich in die Riemen legten, um dem Wal nachzustellen.
»Was ist mit deinem Gleiter geschehen?«, erkundigte sich der Walfänger auf dem Weg zum Dingi, das Meeresstern hieß. »Hast du ihn zerlegt?«
»Das war Byrgten, dieser Idiot«, grummelte Lorin böse. »Er hat ihn kaputt gemacht, ohne dass es einen Grund dafür gab.«
»Er kann dich einfach nicht in Ruhe lassen, was? Lass den Kopf nicht hängen. Ich werde dir helfen, einen neuen zu bauen«, versprach Blafjoll und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Und damit wirst du es diesem Angeber zeigen, Lorin.« Seine grünen Augen schienen zu lachen und zu sagen »Ich werde dir immer helfen.«
Der Junge hätte es lieber gesehen, wenn dieser Mann und seine Schwester ein Paar wären. Seiner Meinung nach war Arnarvaten zwar ein netter Kerl, aber nur vom Geschichten anhören wurde Lorin schnell langweilig. Blafjoll dagegen konnte schnitzen, die Harpune treffsicher werfen, segeln und viele andere Sachen, die bei dem Geschichtenerzähler allenfalls zu schlimmen Verletzungen führten, wenn er es
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